Montag, 15. Juni 2015

Meine fünf Minuten Facebookruhm – oder: was ein einziger Kommentar beiBarbara auslösen kann

In Facebookkreisen ist die Künstlerin Barbara. eine kleine Berühmtheit. Pointiert persifliert sie mit ihren in Szene gesetzten Plakaten die Absurditäten unserer Gesellschaft und nimmt sich dabei auch nicht immer selbst gar so ernst. Auch große Tageszeitungen scheuen sich nicht, ihre Inhalte aufzugreifen und über die Facebookauftritte zu verteilen. Barbara will anonym bleiben, so weiß außer ihrem Verleger niemand, wer tatsächlich hinter den Aktionen steht. Erst im April hat sie ein Buch veröffentlicht.

Vergangenen Sonntag nahm sie den Fleischkonsum auf die Schippe. Das Setting: Strahlend blauer Himmel, ein Kälbchen auf der Weide und im Vordergrund ein Plakat mit dem Spruch: „Weder Schwein noch Kuh noch Pferd wollen auf den Küchenherd.“ Es ist althergebrachte Social-Media-Tradition, interessante Beiträge und Statements zu kommentieren. Von diesem interaktiven Austausch leben soziale Netzwerke, ansonsten wären es ja nur schnöde Internetseiten. So fühlte ich mich also bemüßigt, Barbara recht zu geben, indem ich kommentierte: „Das stimmt. Schmeckt vom Grill ohnehin deutlich besser.“



Das hätte ich wohl besser mal bleiben lassen. Die nächsten 24 Stunden waren recht "interessant". Während direkt in Barbaras Beitrag eine schwungvolle und weitestgehend gesittete Debatte geführt wurde, hat sich das andernorts in eine gänzlich andere Richtung entwickelt. Diverse Seiten wie Top Comments, Bleib Geschmeidig, AviveHD und andere haben einen Screenshot von Barbaras Plakat und meinem Kommentar veröffentlicht. Diese Seiten haben durch die Bank hohe sechsstellige Fanzahlen, sodass es nicht weiter verwundert, dass unterm Strich sicher 100.000 Leute auf „Gefällt mir“ geklickt und einige tausend diese Screenshots weiter geteilt haben. Die Gesamtreichweite dürfte in die Millionen gehen. Für mich begann ein bis dato nicht gekannter Spießrutenlauf. Sicher weit über hundert mir unbekannte, wildfremde Menschen haben mir Freundschaftsanträge gestellt, mein Messagepostfach quoll ebenso über wie die Kommentarspalten der jeweiligen Seiten. Die meisten haben sich einfach amüsiert und den Spruch als das genommen, was er auch sein sollte: Einfach nur ein Spruch.

Eine kleine Minderheit allerdings fand das ganze gar nicht komisch. Gut, deren gutes Recht, das ich ihnen nicht abstreiten will. Erschreckend fand ich dann aber den offenen Hass, der mir in einzelnen Kommentarspalten bei Top Comments und Co., vor allem aber in meinem Facebook-Postfach entgegengebracht wurde. Hier mal zwei Stilblüten.

Diese junge Dame hier ist der Ansicht, dass ich kein Recht auf Leben hätte:



Dieser junge Mann hier geht gleich noch einen Schritt weiter und will mich aufspießen und grillen:



Im letzteren Stil gab es mehrere durchaus anzeigewürdige und justitiable Beleidigungsmails aus der untersten Schublade, aber selbstverständlich werde ich den Teufel tun, damit die deutsche Justiz zu belasten. Nichtsdestotrotz fühle ich mich genötigt, diesen militanten Veganern zu antworten:

Leute: Ein jeder nach seiner Façon. Ich versuche niemanden zum Fleischessen zu überreden. Und es ist mir völlig schnuppe, ob jemand Vegetarier, Fruktarier, Veganer oder was auch immer ist. Mich nervt allerdings der missionarische Eifer, indem besonders einige letztgenannte versuchen, andere von ihrem Lebensstil zu überzeugen.

Versteht mich nicht falsch: Ich bin auch kein Freund industrieller Massentierhaltung. Ich bin auch der Meinung, dass wir zu viel Fleisch konsumieren. Ich denke, weniger und qualitativ hochwertiges Fleisch aus regionaler Züchtung ist der ökologisch verträglichere Weg. Aber hört doch bitte auf, einen Schuldkomplex zu bedienen, indem ihr sagt, dass Tiere leiden. Das tun sie, keine Frage, aber das Gnu in der afrikanischen Steppe findet es sicher auch nicht sonderlich prickelnd, wenn es vom Löwen gerissen wird. Oder um es nicht ganz so abstrakt zu halten – die heimische Feldmaus sieht sich sicherlich auch nicht gerne auf dem Speiseplan der Hauskatzen. Natürlich hätten wir im Gegensatz zu Raubtieren die Wahl - aber ganz ehrlich: Dafür schmeckt mir ein gelegentliches Steak viel zu gut, als dass ich darauf verzichten will und für mich - ich wiederhole: für mich! - gehört Fleisch zu einer ausgewogenen Ernährung. Schlussendlich werden Tiere zu sehr vermenschlicht, wenn ihnen nachgesagt wird, dass sie nicht sterben wollen. Die Biologie ist sich hier weitestgehend einig: Tiere haben natürlich einen Überlebensinstinkt, aber keine Vorstellung vom Tod. Man kann Schlachtungen derart gestalten, dass die Tiere im Vorfeld nicht in Panik verfallen und nicht leiden müssen. Das sicher nicht in den großen Schlachthöfen der Republik – bei regional ansässigen gut geführten Höfen aber schon sehr viel eher. Das Fleisch ist dann sicher teurer, aber das sollte es einem in meinen Augen wert sein.

Im Rahmen der Diskussionen in den Kommentarspalten kam auch immer wieder der Punkt auf, dass der Mensch schließlich auch nur ein Tier sei und ein Tierleben daher gleich viel Wert habe wie ein Menschenleben. Es tut mir leid, aber diese Einstellung geht an meiner Lebensrealität deutlich vorbei. Ich halte sie sogar für naiv und gefährlich. Da für den Beleg des gleichwertigen Status der Tiere gerne an den Haaren herbeigezogene Beispiele mit einem stets extrem sentimentalen Subtext konstruiert werden, stelle ich provokant die Gegenfrage: Liebe/r Veganer/in, Du musst Dich entscheiden, aus einem brennenden Haus entweder ein oder meinetwegen auch tausend Kätzchen zu retten oder aber einen Menschen. Einige wenige werden um der Polemik willen – oder aus mangelndem Verständnis des sozialen Konstrukts „Gesellschaft“ und ihrer jeweiligen Rolle darin – eventuell die Kätzchen retten wollen, die Realität dürfte allerdings bei fast allen Menschen anders aussehen. Der Mensch ist ihnen näher als das Tier - und das ist auch gut so!

Nochmals: Das soll keine Rechtfertigung für Tierquälerei sein. Ich bin für artgerechte Haltung. Ich bin durchaus dafür, Tiere vor unnötigem Leid zu schützen und denke, dass die Tierschutzgesetze vor allem im Bereich der industriellen Lebensmittelproduktion an vielen Stellen ausbaufähig sind. Aber ich bin auch der Ansicht, dass der Mensch evolutionär gesehen – und das beinhaltet eben auch die intellektuelle Fähigkeit, Werkzeuge zu benutzen – an der Spitze der Nahrungskette steht und habe somit kein moralisches oder ethisches Dilemma mit dem Konsum von Fleisch- und Tierprodukten.

Man darf das gerne anders sehen. Veganismus ist ein Lebensstil, dem ich höchsten Respekt zolle, aber bitte, bitte, liebe Veganer/innen, verschont andere Menschen damit und lasst einen jeden leben, wie er es für richtig hält. Erspart uns eure quasi-religiösen Belehrungen. Danke.