Samstag, 29. Dezember 2012

Diäten - die deutsche Neiddebatte

Der Spitzenkandidat der SPD fordert höhere Einkommen für den Bundeskanzler. Jeder Sparkassendirektor würde mehr verdienen. (Spiegel)

Man könnte meinen, Peer Steinbrück sei von CDU-Wahlkampfstrategen für diese Aussage bezahlt worden. Die SPD-Stammwählerschaft wird es ihm vermutlich nicht danken.

Aber hat er schlussendlich nicht tatsächlich recht?

Man möchte Größen aus der Wirtschaft, Sanierer, die bereits ihre Kompetenz bewiesen haben, in der Politik sehen. Man möchte unsere Abgeordneten, aus denen sich in der Regel die höheren Mandate wie Minister rekrutieren, aber bezahlen wie Hochschullehrer - angestachelt durch die Neiddebatte des Stammtisches. Übrigens ungeachtet der Tatsache, dass die Diäten in Deutschland im europäischen Vergleich im hinteren Mittelfeld liegen. Spitzenreiter bei Politikerbezügen ist Italien.

Für Ökonomen, Manager, hochrangige Juristen usw. stellen die Diäten im Verhältnis zu 60-70h Wochen, in der Regel Zweitwohnsitz in Berlin, Trennung von Familie, Verlust von Privatsphäre und dergleichen mehr eher uninteressante Verdienstmöglichkeiten dar.

In der Folge haben wir Parlamentarier, die entweder tatsächlich aus Idealismus in die Politik gehen - oder aber Politiker, für die MdB- oder MdL-Bezüge eine deutliche Aufwertung des bisherigen Gehalts darstellen. So werden Physikerinnen Bundeskanzlerin, Ärzte erst Gesundheits-, dann Wirtschaftsminister und Biologielehrer Ministerpräsident.

Freitag, 28. Dezember 2012

Die Mär von der wachsenden Armut in Deutschland

So eine Schlagzeile in der ZEIT.

Ein interessanter Artikel, der vor allem die statistische Messmethodik zur Definition der Armut anprangert und suggeriert, dass Armut in Deutschland kein wachsendes Problem sei.

Faktisch gesehen vermutlich richtig, wobei die reale Kaufkraft leider außer Acht gelassen wird. Dem Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation folgend, wonach Gesundheit "ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen" sei, stellt sich für mich die Frage, ob Armut tatsächlich in starre Formeln gepresst werden kann oder sie nicht vielmehr ein subjektives Empfinden des Individuums darstellt.

Sicherlich müssen wir in Deutschland Armut anders definieren als in Entwicklungsländern. Die reine Abwesenheit von Hunger und das Vorhandensein von beheizten vier Wänden, Elektrizität und fließend Wasser macht für mich im gesamtgesellschaftlichen Kontext jedoch einen Menschen nicht automatisch zu "nicht arm" - die Worte wohlhabend oder reich möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht erst verwenden.

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Formulierungshilfen für Strategieprozesse


Strategieprozess – das Wort ist in aller Munde. Prof. Dr. W. Orthülse, anerkannter Linguistikwissenschaftler mit Lehrstuhl an der Universität Phrasen/Dreschen, analysierte die Strategieprozesse großer Verbände der vergangenen 40 Jahre und konnte diverse Schlüsselbegriffe ausfindig machen, die in jedweder Art von Strategiepapier elementare und unverzichtbare Bestandteile darstellen.

Das „automatische Schnellformulierungssystem“ stützt sich auf eine Liste von 30 sorgfältig ausgesuchten Elementen.

Adjektiv

Subjekt-Anfang
Subjekt-Ende
0   interkulturelle
0   Führungs-
0   –struktur
1   integrierte
1   Organisations-
1   –kriterien
2   permanente
2   Management-
2   –ebene
3   systematisierte
3   Krisen-
3   –tendenz
4   progressive
4   Durchlässigkeits-
4   –konzeption
5   funktionelle
5   Ehrenamtlichkeits-
5   –phase
6   orientierte
6   Migrations-
6   –problematik
7   synchrone
7   Einsatzformations-
7   –flexibilität
8   qualifizierte
8   Leitungs-
8   –ansprüche
9   konsequente
9   Öffnungs-
9   –orientierung 

Die Handhabung ist einfach. Denken Sie sich eine beliebige dreistellige Zahl und suchen Sie die entsprechenden Wörter in jeder Spalte. Die Ziffern 019 ergeben zum Beispiel „interkulturelle Organisationsorientierung“, die Ziffern 357 „systematisierte Ehrenamtlichkeitsflexibilität“. Ausdrücke, die praktisch jeder Abhandlung, jedem Bericht und jeder Rede eine entschiedene, von Fachwissen geprägte Autorität verleihen und dabei verschleiern, dass seit Jahrzehnten bekannte Problematiken lediglich in neue Begrifflichkeiten gepresst werden und die neu aufgezeigten Lösungswege ebenso altbekannt sind – in der Praxis jedoch nie umgesetzt wurden.

„Die meisten werden nicht im entferntesten wissen, wovon Sie reden“, sagt Prof. Dr. W. Orthülse. „Aber entscheidend ist, dass niemand es wagen wird, es zuzugeben.“

Mittwoch, 14. November 2012

Nachhaltige Politik - oder die "Kita-Story"

Der geneigte Leser weiß, dass ich mich bereits seit längerem mit diesem Thema beschäftige, zugegebenermaßen durchaus auch aus einem eigenen Interesse heraus. So hatte ich bereits im Januar 2011 postuliert, dass einzelne Kommunen die Nachfrage nach Kindertagesstätten durch exorbitant hohe Kita-Gebühren künstlich niedrig halten wollen.

Mittlerweile wurden in meiner Heimatstadt die Gebühren zum September diesen Jahres "moderat" erhöht, generell um 10%.  Diese moderate Erhöhung bedeutet, dass für die Ganztagesbetreuung in der Kindertagesstätte für Ü3jährige Kinder 399 € in der höchsten Einkommensgruppe (Haushaltsbrutto bei 55.000 €) fällig werden, für Kinder zwischen dem vollendeten ersten und dritten Lebensjahr der 1,5fache Satz und für Kinder unter einem Jahr der doppelte. In unserem konkreten Fall bedeutet das, dass wir für die Ganztagesbetreuung 598,50 € zzgl. einer Verpflegungspauschale von 50 €, gesamt also 648,50 € bezahlen müssten. Auf der Homepage der Stadt wird dies unter anderem dadurch gerechtfertigt, dass die letzte Erhöhung im Jahr 2006 stattgefunden habe und die Stadt sich auf diesem Gebiet überproportional engagiere und das Angebot weiter ausbaue, so OB Ralf Eggert.

Eine ähnliche Argumentation habe ich im persönlichen Schriftverkehr mit dem Oberbürgermeister zu hören bekommen. Im März diesen Jahres titelte der Schwarzwälder Bote "Sogar die Eltern haben Verständnis". Nein, lieber Schwarzwälder Bote und Herr Oberbürgermeister, haben Sie nicht - zumindest wir nicht. Nach dieser plakativen Aussage habe ich eine Anfrage an OB, Gemeinderat und Elternbeirat gestellt. Ich bat unter anderem um Aufklärung, warum Calw am oberen Ende der Skala in Baden-Württemberg liegt. Zum Vergleich die zum März 2012 recherchierten Daten zur Betreuung U3jähriger:


Calw: 544,50 €
Pforzheim: 310,00 €
Sindelfingen: 264,00 €
Böblingen: 260,00 €
Stuttgart: 167,00 €

Der gesamte Text ist hier nachzulesen. Ich erhielt tatsächlich direkt einen Tag später eine Antwort vom OB. Ob diese Anfrage im Gemeinde- und Elternbeirat diskutiert wurde, entzieht sich meiner Erkenntnis. Die Grundargumentation Herrn Eggerts ist folgende:

1. im Bereich der "Verlängerten Öffnungszeiten" also der Halbtagesbetreuung bis 6 Stunden, liege man deutlich unter dem Landesrichtsatz
2. für Ganztagesbetreuung gibt es keinen Richtsatz, jede Kommune könne dies grundsätzlich selbst festlegen
3. in Calw gab es in den vergangenen Jahren sehr hohe Investitionen, die Schere zwischen Entgelten und Kosten klaffe immer weiter auseinander
4. optimales Personal- und Raumangebot, qualitativ hochwertiges Mittagessen habe seinen Preis
5. die Stadt Calw sei eine nur mit geringen Steuereinnahmen gesegnete Kommune

Hier die Antwort im Originaltext.

Auf den ersten Blick erscheint die Argumentation der Stadt Calw schlüssig, sofern man gnädig darüber hinweg sieht, dass die "qualitativ hochwertigen Mahlzeiten" ohnehin gesondert abgerechnet werden und kein Bestandteil der Kita-Gebühren sind. Bei näherem Hinsehen allerdings wird es skurril. Unterm Strich wird eigentlich nichts anderes ausgesagt, als dass die Stadt Calw dafür, dass sie einer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, die Kosten auf die Bürger umlegt - und zwar wesentlich stärker als die meisten anderen Kommunen im "Ländle". Wir erinnern uns, ab August 2013 haben die Eltern U3jähriger Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Dass hierfür Mehrkosten entstehen, das ist völlig klar. Dass das gegenfinanziert sein will, ist auch nachvollziehbar. Die Kita-Gebühren allerdings in Höhen zu katapultieren, die es Normalverdienern faktisch unmöglich machen, einen Kita-Platz in Anspruch zu nehmen, entbehrt schlussendlich nicht einer perfiden Logik. Nachfrage gering halten und somit den kommunalen Haushalt entlasten. Dass die Region damit unattraktiv für Familien wird, das wird billigend in Kauf genommen. Ob das eine geeignete Maßnahme ist, die Steuereinnahmen der Kommune zu erhöhen, darf dann doch stark bezweifelt werden.

Absurd wird es in meinen Augen, sobald man nun nicht nur interkommunale Vergleiche in Baden-Württemberg anstellt, sondern vor dem Hintergrund des Länderfinanzausgleichs betrachtet, dass es durchaus Bundesländer gibt, in denen die Kinderbetreuung durch Landesgesetze vorgeschrieben kostenfrei angeboten wird. Dies sogar mit einklagbaren Rechtsanspruch, wie ein Urteil  in Rheinland-Pfalz letzte Woche bestätigte. Hier muss die Stadt Mainz, da sie keinen Krippenplatz zur Verfügung stellen kann, die Kosten für die private Kinderbetreuung vollumfänglich übernehmen. Interessanterweise werden kostenfreie Kinderbetreuungen ausschließlich in Bundesländern angeboten, die zu den sog. "Nehmerländern" im Länderfinanzausgleich zählen. Der Stammtisch in Baden-Württemberg und Bayern schreit bei so etwas empört auf: "Da bleibt also unser Geld! Unverschämtheit" und sofort entflammt die Föderalismusdebatte erneut. Ich hingegen stelle die Frage: Haben die entsprechenden Bundesländer einfach eine bestimmte Tatsache erkannt, dass sie trotz desolater Haushaltslage Geld in Familien investieren?

Die Politik leistet sich einen Schildbürgerstreich nach dem anderen. Der kommende Rechtsanspruch im August 2013 ist seit langem bekannt. Bereits damals war es ein Fehler, sich nicht intensiver mit der Finanzierung auseinanderzusetzen. Vor der unbequemen Fragestellung der Gegenfinanzierung wurde das Projekt verschlafen. Es wurde nicht dafür gesorgt, in ausreichendem Maße Erzieher/innen auszubilden und das Berufsbild aufzuwerten. Es wurde nicht bereits vor fünf Jahren mit der Planung für neue Kitas begonnen. Strategische Zielsetzungen in diesem Bereich wurden offensichtlich vielfach völlig vergessen. Und was schlägt nun der deutsche Städtetag vor? Was ist der nahe liegende Schluss? Richtig, bevor die Bürger nun auf die Idee kommen, ihre Rechtsansprüche durchzusetzen und einzuklagen, will man kurzfristig das Gesetz ändern. Jahrelang wurde geschlafen - und der Bürger muss erkennen, dass Gesetze nun mal eben doch kein Garant dafür sind, im Land und im Staat einen verlässlichen Partner zu haben und muss die Zeche bezahlen.

Neben der These, dass die Nachfrage nach Kita-Plätzen in meiner Heimatstadt künstlich gering gehalten wird, postuliere ich zusätzlich heute eine weitere: Der demographische Wandel arbeitet für die Politik. Wenn die Prognosen der Soziologen Recht behalten und sich die Geburtenrate nicht erhöht, wenn weiterhin eine Abwanderung vom Land in die Metropolregionen stattfindet, auf einen Rentennehmer irgendwann weniger als zwei Erwerbstätige kommen - dann führt das aufgrund der zwingend notwendigen Kürzungen in jedem Bereich staatlicher Leistung zu einer Besinnung auf alte Traditionen. Bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement wird wieder zunehmen müssen, um die Lücken in der Daseinsvorsorge der Gemeinschaft, die der Staat hinterlassen wird, zu schließen. Es wird wieder vermehrt Mehrgenerationenhäuser geben, da die Pflege unserer alten Familienangehörigen unbezahlbar wird. Somit hat sich das Kita-Problem ohnehin erledigt. Vor diesem Hintergrund macht auch auf einmal das Betreuungsgeld wieder Sinn - und auch die Politik meiner Heimatstadt: Man hat den Untergang erkannt, weiß, dass es die Nachfolger in Politik und Verwaltung betreffen wird und hat resiginierend aufgegeben. Die Maxime lautet: Nach mir die Sintflut.

Das, meine lieben Leser, ist wahre nachhaltige Politik!

P.S.: Und wir suchen derzeit in der Metropolregion Stuttgart ein Haus mit barrierefreier Erdgeschoss- oder Einliegerwohnung für meinen Schwiegervater zur Miete. Angebote bitte an die Impressum angegebene Email-Adresse.

Freitag, 9. November 2012

Führungsstile

ZWir alle kennen die klassischen Führungsstile nach Kurt Lewin. Autoritärer Führungsstil, demokratischer oder auch kooperativer Führungsstil und der Laissez-Faire-Führungsstil. Man ist sich im großen und ganzen einig, dass der kooperative Führungsstil Anwendung finden sollte, abgestuft im Rahmen eines situativen Führungsstilmodells. Kooperatives Führen bedeutet in meinen Augen vor allem, Mitarbeitende in Entscheidungsfindungsprozesse mit einzubinden und sich ungeachtet der tatsächlichen Entscheidungskompetenz, die klar in hierarchischen Strukturen der Natur der Sache folgend "oben" verankert ist, auf Augenhöhe zu begegnen.

Immer wieder wird man heutzutage jedoch Zeuge eines weiteren Führungsstils, die sogenannte Führung durch den SM-Management Style. Der geneigte Leser liegt vordergründig nicht einmal so falsch, wenn er SM zunächst einmal mit der Lehre Marquise de Sades in Zusammenhang bringt, so benötigt die Anwendung des SM-Management Styles eine gehörige Portion Sadismus auf der einen sowie eine nicht minder große Portion Masochismus auf der anderen Seite. Die korrekte Definition lautet allerdings „Führen durch Seitenhiebe und Mobbing“. Um diesen Führungsstil zur Perfektion reifen zu lassen, bedarf es einiger elementarer Grundregeln:

1. Sollte ein Ihnen unliebsamer Mitarbeiter für eine Tätigkeit Dank und Lob erfahren, verpassen Sie nicht die Gelegenheit, sofort auf angebliche Verfehlungen hinzuweisen. Beispiel: „Wir danken dem Mitarbeiter für die Protokollierung der Sitzung...“, an dieser Stelle ins Wort fallen: „Der soll erst mal andere Protokolle fertigstellen.“
2. Machen Sie dem Mitarbeiter klar, dass er lediglich zu Protokollzwecken anwesend ist, seine eigene Meinung zum Thema aber völlig irrelevant sei. Geben Sie keinesfalls Kompetenzen ab und delegieren Sie ausschließlich unliebsame Tätigkeiten.
3. Sprechen Sie von diesem Mitarbeiter stets in der 3. Person, als wenn er nicht anwesend wäre.
4. Verteilen Sie bei jeder passenden Gelegenheit Spitzen, die Eingeweihte sofort auf den Mitarbeiter beziehen.
5. Unterlassen Sie es grundsätzlich, Standardfloskeln wie Bitte und vor allem Danke zu benutzen, sämtliche Tätigkeiten sind ohnehin als Selbstverständlichkeit zu betrachten, schließlich bekommt der Mitarbeiter ja Geld dafür.
6. Selbst wenn Sie nachweislich über das Ziel hinausgeschossen sind, indem Sie den Mitarbeiter völlig ungerechtfertigt attackieren, ist eine Entschuldigung ein Zeichen von Schwäche. Tun Sie es nicht.
7. Attackieren Sie den Mitarbeiter für Sachverhalte, an denen er definitiv unschuldig ist. Wenn Sie auf diesen angeblich ungerechtfertigten Angriff hingewiesen werden, behaupten Sie einfach, sich dem allgemeinen Niveau angepasst zu haben.
8. Locken Sie den Mitarbeiter mit Aussagen wie „Das kann man jetzt glauben oder auch nicht“ aus der Reserve. Sollte er tatsächlich die Unverfrorenheit besitzen, Ihnen vorzuwerfen, ihn als Lügner bezeichnet zu haben, verwehren Sie sich dagegen vehement.
9. Drohen Sie subtil mit dem Hinweis, man sei schon ganz andere Personen, die unbequem wurden, losgeworden.
10. Ignorieren Sie geflissentlich die zur Unternehmenskultur gehörenden Führungsgrundsätze und das Leitbild. Das mag für andere gelten, ab einer gewissen hierarchischen Ebene müssen diese selbstverständlich nicht mehr zur Anwendung kommen.

Wenn Sie diese 10 goldene Regeln berücksichtigen, können Sie sich Ihres Erfolgs sicher sein. Ihr Mitarbeiter wird stets mit großer Freude zur Arbeit erscheinen. Er wird die von ihm abverlangte Leistung gerne erbringen, in seiner Freizeit gerne an Sitzungen oder auch Wochenendveranstaltungen teilnehmen. Kurz: Er wird Sie abgöttisch lieben und nie, wirklich niemals mit dem Gedanken spielen, sich um eine neue Anstellung zu bemühen.

An dieser Stelle endet der ironische Teil meiner kurzen Ausführungen zu Führungsstilen. Ich bin froh und dankbar, dass ich oben genanntes nicht alltäglich und vor allem nicht durch meine direkten Vorgesetzten erfahren muss. Nichtsdestotrotz erfahre ich im unmittelbaren Umfeld immer wieder, dass Sozialkompetenz für Führungskräfte im Sozial- und Gesundheitswesen oder für Wahlämter in Politik und Organisationen augenscheinlich keine zwingende Voraussetzung zu sein scheint.

Ich frage mich, wo die Gründe für ein derartiges Führungsverhalten liegen. Gibt es tatsächlich objektive Mängel an der Arbeit des Mitarbeitenden? Oder sind diese eher einer subjektiven Wahrnehmung, dem eigenen Selbstbild und unklarer Kompetenzverteilung geschuldet?

Wo auch immer die Ursachen liegen mögen, so muss sich meiner Ansicht nach jeder Vorgesetzte - ich nehme mich da keinesfalls aus - stets vergegenwärtigen, dass das Gegenüber ein Mensch mit eigenen Gefühlen, eigenen Wertvorstellungen und dem unveräußerlichen Recht auf Würde ist. Sich lediglich auf die Amtsautorität zu verlassen und Respekt als Einbahnstraße von unten nach oben zu betrachten, führt unweigerlich zu einer Arbeitskultur, die von Misstrauen und verminderter Produktivität geprägt ist. Potenziale bleiben ungenutzt, Kreativität und Eigeninitiative werden im Keim erstickt.

Führung bedeutet Macht und mit Macht geht Verantwortung einher. Verantwortung gegenüber dem Mitarbeiter, der eigenen Firma, dem Betrieb oder der Organisation und nicht zuletzt auch gegenüber sich selbst.

In diesem Sinne, lasst uns alle verantwortungsvoll Macht ausüben.

Dienstag, 30. Oktober 2012

Für eine "Kultur des Erbarmens"


Heute ist der Todestag von Henri Dunant. Er gilt als der Gründungsvater des „Roten Kreuzes“. Dank den vielen Helferinnen und Helfern. Sie stehen für eine „Kultur des Erbarmens“.

Das „Internationale Rote Kreuz“ gedenkt heute seines Gründers Henri Dunant, der am 30. Oktober 1910 gestorben ist. Der Schweizer Geschäftsmann war 1859 bei einer Italienreise unversehens in die Schlacht von Solferino hineingeraten und sah mit Entsetzen 40.000 Gefallene, Sterbende und Verwundete auf dem Schlachtfeld liegen. Todesmutig und ohne irgend ein Mandat organisierte Henri Dunant noch am selben Tag in den umliegenden Dörfern erste Hilfe für die Verletzten. Sein später verfasstes Buch über diese Ereignisse hat die damalige Weltöffentlichkeit erschüttert. So kam es zur Gründung eines „Internationalen Komitees vom Roten Kreuz“. Die „Genfer Konvention“ aus dem Jahre 1864, immer wieder aktualisiert, garantiert seitdem den neutralen Schutz des „Roten Kreuzes“ in bewaffneten Konflikten.

Auch das „Deutsche Rote Kreuz“ sieht in Henri Dunant seinen Gründungsvater. Das DRK, einer der größten Wohlfahrtsverbände im Land, bewältigt ein immenses Aufgabenspektrum. Es reicht vom Katastrophenschutz über das Sanitäts- und Rettungswesen bis hin zur praktischen Sozialarbeit.

Der heutige Gedenktag könnte Anlass sein, den Helferinnen und Helfern aller Rettungs- und Wohlfahrtsorganisationen für ihren Dienst zudanken. Ich bewundere die Profis auf den Rettungsfahrzeugen, denen ich als Notfallseelsorger oft begegnet bin. Tag und Nacht sehen sie sich mit Krankheit und Tod konfrontiert. Das will auch seelisch ausgehalten sein.

Dank gebührt aber auch den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Sie opfern Kraft und Zeit im Sanitätsdienst, werkeln in Kleiderstuben und Möbelhallen, engagieren sich im Katastrophenschutz, in Pflege und Sozialarbeit.

Hoffentlich gelingt es uns, auch weiterhin junge Menschen für solche Samariterdienste zu begeistern. Da genügt es allerdings nicht, nurden Button „gefällt mir“ am Handy zu drücken. Hier gilt es, Kraft und Zeit für das Wohlergehen anderer zu investieren. Nicht umsonst, denn da kommt auch für einen selber viel rüber.
In einer Zeit, in der sich alles rechnen und rentieren muss, brauchen wir mehr denn je eine „Kultur des Erbarmens“. Die professionellen Organisationen schaffen das alleine nicht, die müssen ja selber spitz kalkulieren und „schwarze Zahlen“ abliefern.

Eine „Kultur des Erbarmens“ müsste in den Herzen Vieler verankert sein, damit Menschen Zuwendung und Hilfe, Nähe und Liebe erfahren.


Auch wenn ich sicher nicht zu den größten Fans kirchlicher Würdenträger gehöre, so spricht mir dieser katholische Geistliche doch aus dem Herzen. Insbesondere seine Kritik an der "gefällt mir"-Mentalität gefällt mir! Wie leicht ist es doch, gesellschaftliche Missstände anzuprangern, sich rein virtuell für Tiere, für Kinder, für Menschen in Not einzusetzen. Einfach mit einem Mausklick... Bequem von der Couch aus, mit dem Smartphone in der Hand, am Notebook, am PC erspart man sich auf diese Art und Weise doch tatsächliche ehrenamtliche Betätigung und fühlt sich trotzdem gut dabei.

Ehrenamt... Was bedeutet dieser alte Begriff heute noch? Ist ehrenamtliche Arbeit überhaupt noch zeitgemäß?

In meinen Augen ist das Ehrenamt heute wichtiger denn je. Sicherlich ist der klassische Ehrenamtliche, wie es ihn vor 30 Jahren noch gab, der aus purem Altruismus handelt, heute so gut wie ausgestorben. Es liegt an den Organisationen, ehrenamtliche Arbeit attraktiv zu gestalten, denn die Frage "Was hab ich denn davon?" gehört zum heutigen gesellschaftlichen Selbstverständnis. Auch darf bezweifelt werden, ob es den klassischen Altruismus in der Form überhaupt jemals gab - und wenn es nur "das gute Gefühl, gebraucht zu werden" ist, profitiert man selbst davon.

Ich möchte als Beispiel für ehrenamtliche Arbeit die freiwillige Feuerwehr oder die Arbeit in einer Hilfsorganisation wie dem DRK, den Johanniter, dem ASB usw. nehmen.

Was motiviert heute jemanden, zu einer solchen"Blaulichtorganisation" zu gehen? Zum einen ist es mit Sicherheit das damit verbundene Sozialprestige. Klar, einer solchen Tätigkeit wird oftmals Respekt entgegen gebracht. Zum anderen profitieren die ehrenamtlichen Helfer durch die Vielzahl der Ausbildungen in vielen Fällen für den eigentlichen Beruf. Seien es die einfachen Sanitätslehrgänge bis hin zu den Lehrgängen fürFührungskräfte.

Es wird immer wieder angeführt, dass eine ehrenamtliche Betätigung hinderlich bei der Jobsuche sei, wenn nicht sogar den Arbeitsplatz gefährden. Mir persönlich ist in Baden-Württemberg kein Fall bekannt, in dem tatsächlich jemand seinen Arbeitsplatz wegen einer ehrenamtlichen Betätigung verloren hat. Auch legen immer mehr Arbeitgeber großen Wert auf die sogenannten social skills, für gehobene Positionen gehört ein "Ehrenamt" einfach zum guten Ton. Vom gesellschaftlichen Nutzen muss wohl niemand überzeugt werden, das Gesundheitswesen, der Katastrophenschutz und viele andere Dinge wären ohne ehrenamtliche Arbeit schlicht und ergreifend nicht finanzierbar. 

Ich möchte mit den Worten von Dipl. Sozialpädagoge Wolfgang Schuch abschließen:

Die Wurzeln des bürgerschaftlichen Engagements

In den Stadtgesellschaften der Antike Griechenlands, Wiege unserer Demokratie, war es Sache jeden (männlichen!) Bürgers sich für das Gemeinwesen zu interessieren, in der Versammlungen über die Belange der Stadt (=Polis – Politik) zu diskutieren und sich für das Wohl des Gemeinwesens zu engagieren. Für diese Dinge hatten die Bürger auch reichlich Zeit, denn für die Arbeit waren Sklaven zuständig – und die Frauen... Wer diesen Versammlungen fern blieb und sich den Angelegenheiten des Gemeinwesens verweigerte war ein "Idiot" (=Privatmensch).

Und was tust Du?

Freitag, 19. Oktober 2012

Neues von der Fernuni-Front

Nach acht langen Wochen des Bangen und Warten ist es nun heute endlich so weit: Die Bewertung zur Hausarbeit ist eingegangen! Um es vorweg zu nehmen: Ich müsste mit 104 von 120 Punkten sehr zufrieden sein. Man beachte den Konjunktiv. Müsste!

Leider habe ich leichtfertig einige Punkte einfach verschenkt. Auch wenn ich der Überzeugung war, gewissenhaft gearbeitet zu haben, zeigen mir die Kommentare doch, dass der Bereich des wissenschaftlichen Zitieren Neuland für mich ist. Wäre ich gelenkig genug, würde ich mich für einige der Punktabzüge in den Allerwertesten beißen.

Allen, die mir einen gewissen Hang zur Pedanterie nachsagen, möchte ich nachfolgende Passage aus meiner Bewertung nicht vorenthalten:

"In Aufgabe 4 benannte der Verfasser als Thema: "Religiosität - (k) eine Rolle im Ehrenamt" (Seite 8). Dieses Thema hätte jedoch präziser gefasst sein müssen, so können unter diesen Titel viele Aspekte fallen. Die Fragestellung hingegen wurde präziser formuliert, geht jedoch nicht auf den geplanten Vergleich zwischen Deutschland und der Türkei ein (s.u.) (Seite 8) (...) Der Verfasser sollte in Zukunft beachten, dass der einleitende Teil einer Hausarbeit "Einleitung" genannt wird und nicht Vorwort (Seite 9). (...) Die Fußnoten waren fehlerhaft: Wird mit Fußnoten zitiert, muss die erste Angabe eines Titel den vollständigen Titel enthalten, danach genügt die Kurzform. Wird die Kurzform gewählt, wird das Erscheinungsjahr nach dem Erscheinungsort genannt, nicht nach dem Autornamen. Bei Webseiten ist immer das Abrufdatum anzugeben. Ein Weblink alleine reicht nicht. Zu Aufgabe 5: Der Duden ist kein politikwissenschaftliches Lexikon (Seite 13). Im Literaturverzeichnis sollte der Verfasser darauf achten, nur die Autoren aufzuführen: bei der ersten Literaturangabe war Fritzsche nicht Autor, sondern Gutachter (Seite 14). Die geforderten Sammelbandbeiträge wurden nicht aufgeführt, lediglich Sammelbände (Seite 15). Bei wissenschaftlichen Zeitschriftenartikeln ist die Angabe des Erscheinungsortes nicht notwendig (Seite 15). Titel und Verfasser sollten auch bei Webseiten angegeben werden (Seite 16). In der Literatur zu Aufgabe 4 wurde der Verfasser erst nach dem Titel des Bandes genannt. in der zweiten Angabe wurde nach der Heftnummer "Stuttgart: Landeszentrale für politische Bildung" angegeben (Seite 16). Eine sehr ordentliche Leistung - weiter so!"

Nun denn, das erste Semester und die ersten 15 ECTS-Punkte habe ich jetzt in der Tasche. Im März sind die Klausuren zu den Modulen B2 und B3.

Dienstag, 28. August 2012

Cc: - Denunziantentum im Web 2.0

Cc - ursprüngliche Bedeutung: Carbon Copy - Kohlepapierdurchschlag. Im heutigen Emailverkehr werden mit Cc. weitere Empfänger einem Adressatenkreis zugeordnet, die eine "Kopie" der Email bekommen.

Prinzipiell sind Emails eine prima Sache. Während man früher tatsächlich noch mit Kohlepapierdurchschlägen arbeitete, später mit Matrizen und in nicht allzu ferner Vergangenheit das Kopiergerät seinen Siegeszug antrat, kostete der Versand eines Rundschreibens doch sehr viel Arbeitszeit. Brief schreiben, vervielfältigen, einkuvertieren und wenn man Glück hatte, gab es Adressaufkleber. Ab zur Post und eventuell hatte man nach einer Woche die ersten Antworten. Wie schnell geht das doch heute: Email schreiben, Adressatenkreis wählen, abschicken. In sekundenschnelle wird die elektronische Post zugestellt und ein Vorgang, der früher Wochen und Monate bis zum Abschluss gedauert hat, ist oftmals in einem Bruchteil der Zeit erledigt. Ein Segen der Technik - den ich persönlich nicht missen möchte.

Aber es gibt auch eine Kehrseite. In der Emailkorrespondenz zeichnet sich mehr und mehr eine Verrohung der Sitten ab. Die gute, alte abendländische Höflichkeitskultur wird mit Füßen getreten, auf Grußformel und Eingangsfloskel wird oftmals gänzlich verzichtet. Im Verlauf eines "Emailgesprächs", quasi einem "Chat" mag das sicherlich angehen, ohne dass man es als unhöflich betrachtet. Werden aber Emails geschickt, beispielsweise mit einem Dateianhang und lediglich einem "Umgehend erledigen" im Text, ohne dass dies ein stehender, immer wieder kehrender Vorgang ist, dann zeigt sich dadurch eine gewisse Form der Missachtung seines Gegenübers. Der Mitmensch ist einem nicht wichtig genug, die grundlegenden Regeln des menschlichen Umgangs miteinander zu berücksichtigen.

Noch weitaus schlimmer ist der inflationäre Umgang mit dem Kohlepapier - pardon, mit dem Cc. Grundsätzlich ist jedem Menschen, der eine Nachricht verbreitet zu unterstellen, dass er hierzu eine Motivation hat. Im günstigsten Fall um andere Menschen, Mitarbeiter und Kollegen über ein sie betreffendes Projekt oder Thema zu informieren. Auch das kann schief gehen, wenn wir uns an den sog. "Shitstorm" erinnern, den Babette dieses Jahr im Bundestag ausgelöst hat. Ungünstiger wird es, wenn man eine Email erhält und sich fragt: "Was soll ich mit dem Mist? Betrifft mich nicht, interessiert mich nicht - löschen." Warum hat der Absender mich in seinen Adressatenkreis genommen? Wenn es sich nicht um eine von falschen Annahmen ausgehende - dass den Adressaten das Thema tatsächlich betrifft - Versendung der Email handelt, dann liegt der Verdacht einer gewissen Profilierungssucht nahe. Und sei es nur um zu zeigen, dass man auch etwas zu sagen hat. Schlussendlich aber hat ein jeder in seiner täglichen Arbeit Probleme, der Flut an Neuigkeiten, die das Informationszeitalter mit sich gebracht hat, Herr zu werden. Emails werden gelesen, oftmals nur oberflächlich überflogen und tatsächlich wichtige Informationen gehen unter Umständen völlig unter.

Die schlimmste Unsitte ist jedoch, jemanden per Email auf ein vermeintliches Fehlverhalten hinzuweisen und hierbei andere Personen ins cc. zu nehmen. Was wird hiermit bezweckt? 

Man reise nun gedanklich in die Zeit des Kohlepapiers und des guten, alten Briefverkehrs zurück. Man stelle sich vor, man hat das dringende Bedürfnis, an einem anderen Kritik zu üben. Man spannt also einen Briefbogen in die Schreibmaschine und urplötzlich fällt einem ein, dass man ja auch anderen unbedingt mitteilen muss, was man zu kritisieren hat. Also kommen hinter den Briefbogen noch mehrere Kohlepapiere und Durchschlagblätter - bis die Walze in der Schreibmaschine um Gnade winselt - oder der Toner im Kopierer vor Überhitzung kapituliert. Nein, ich unterstelle, dass kaum jemand vor 20 Jahren auf diesen Gedanken gekommen wäre. Man hätte zum Telefonhörer gegriffen und die Sache aus der Welt geräumt. 

Was passiert heute? Unüberlegt wird der Frust über ein vermeintliches Fehlverhalten in ein Emailprogramm gerotzt und einem möglichst großen Verteilerkreis diese Information zugänglich gemacht. Man übt damit eine Form von Macht aus, denn nichts ist leichter zu schädigen als ein Ruf - selbst wenn sich die Kritik als haltlos herausstellen sollte. Ich möchte sogar soweit gehen, neben der offensichtlich vorhanden Profilneurose eine Form von Böswilligkeit zu unterstellen, denn augenscheinlich möchte man dem anderen schaden. Natürlich, "Allen antworten" ist eine Option, die unter Umständen den Absender dumm da stehen lässt - aber muss man so einen Umgang miteinander pflegen? Ich denke nicht. Darum: Prüfe stets Deine Motivation, warum Du Menschen ins Cc. nimmst. Ist es wirklich notwendig?

Ach ja, eine Steigerung zum Cc - Denunziantum im Web 2.0 - gibt es dann tatsächlich noch. Bcc genannt.

Sonntag, 26. August 2012

Religiosität - (k)eine Rolle im Ehrenamt


Neues von der FernUni-Front: Das Sommersemester ist vorbei und eine Hausarbeit war anzufertigen. Zunächst musste ein englischsprachiger Text bearbeitet werden. Ich entschied mich für Women’s Rights and Islam in Turkish Politics: The Civil Code Amendment von Yesim Arat. Die Autorin bearbeitete die Fragestellung, inwieweit die Parlamentsdebatten zur Novellierung des Zivilgesetzes mit Schwerpunkt der Gleichberechtigung der Frau in der Türkei seitens der Regierung und der Opposition genutzt wurden, um eine Grundsatzdiskussion über den säkularen Staat auf der einen und die Verankerung des Islam auf der anderen Seite zu führen. Die weitere Aufgabenstellung lautete, sich Gedanken um ein eigenes 15seitiges Hausarbeitsthema mit thematischer Nähe zum englischsprachigen Text zu machen, eine Fragestellung zu erarbeiten, hierzu Literatur zu recherchieren, die theoretische Verortung zu finden und abschließend ein Exposé und eine Gliederung zu erstellen. Es ist naheliegend, bei derartigen Aufgabenstellung zu versuchen, auch eine Nähe zum Beruf zu finden. Von daher beleuchtete ich zunächst einmal vergleichend die Katastrophenschutzstrukturen in Deutschland und der Türkei. Daraus lies sich allerdings schwerlich eine politikwissenschaftliche bzw. soziologische Fragestellung ableiten, die auch nur ansatzweise mit dem Ursprungstext zu tun hatte. Als mir allerdings eine Statistik über die Bedeutung der Religion im alltäglichen Leben in der Türkei und den EU-Ländern unter die Augen kam, war das Thema geboren. Hier mein eingereichtes Exposé mit für mich persönlich durchaus überraschendem Ergebnis:


Religiosität – (k)eine Rolle im Ehrenamt

Wie wirkt sich die Religiosität einer Gesellschaft auf ehrenamtliches, freiwilliges Engagement in einer Hilfsorganisation im Katastrophenschutz aus?


Aus einem technischen sowie beruflichen Forschungsinteresse heraus beschäftige ich mich mit der Fragestellung, inwieweit der Grad der Religiosität der Bevölkerung eines Landes, hier im Speziellen der Türkei, Auswirkungen auf die Tätigkeit in einer konfessionslosen Hilfsorganisation mit Bezug zum Katastrophenschutz wie der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung hat bzw. inwieweit die Religiosität die Auswahl einer religiösen oder nicht-religiösen Hilfsorganisation, in der man sich ehrenamtlich betätigen möchte, beeinflusst. Die Fragestellung hat einen soziologischen Kern und wird politikwissenschaftlich die politische Gesellschaft betreffend konstruktivistisch in der Gendertheorie betrachtet. Als soziales Geschlecht wird hier die Religiosität gesehen.

Die Hausarbeit würde nachfolgende Gliederung (als Reihung) haben. Die Gliederungsstruktur ergibt sich aus den verschiedenen gleichwertig gegenüberzustellenden Gesichtspunkten:


1 . Vorwort (2 Seiten)


Jürgen Gerhards vergleicht in seiner Studie die Religions- und Wertorientierung in der EU und der Türkei.[1] Als Grundlage zu meiner Hausarbeit dienen die statistischen Werte über die Religion und Lebensführung. 17,9 % der Bürger der damaligen 15 „alten“ EU-Länder gaben an, dass die Religion wichtig im eigenen Leben sei. In der Türkei betrug dieser Prozentsatz 81,9 %.[2] Insofern ist die Frage, inwieweit sich dieser hohe Grad an Religiosität in der Bevölkerung beim Vorliegen eines ehrenamtlichen Interesses auf die Wahl der Hilfsorganisation mit bzw. ohne religiösen Hintergrund auswirkt, eine nähere Betrachtung wert.

Im Vorwort gehe ich des Weiteren auf das Untersuchungsinteresse ein und stelle kurz die Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung dar. Hier mit besonderem Schwerpunkt auf dem Neutralitäts- und Unparteilichkeitsgrundsatz[3], um die Unterscheidung zu Hilfsorganisationen mit religiösem Hintergrund aufzuzeigen.

2. Deutschland (2 Seiten)

Ich stelle in diesem Kapitel die Grundzüge des Katastrophen- bzw. Bevölkerungsschutzes in Deutschland dar. Zuerst wird die rechtliche Grundlage betrachtet (Verankerung im Grundgesetz)[4], anschließend die Einbindung der verschiedenen Hilfsorganisationen als private Träger der Katastrophenhilfe. Ehrenamtliche Betätigung im DRK und in Non Governmental Organizations (NGOs) sowie in staatlichen/kommunalen Organisationen wie dem Technischen Hilfswerk (THW) oder den Feuerwehren hat in Deutschland eine lange Tradition.

2.1 Deutsches Rotes Kreuz (DRK) (1 Seiten)

Es wird die föderale Organisationsstruktur des DRK betrachtet und die Mitgliedszahlen der aktiven Helfer der Hilfsorganisation aufgezeigt. Das DRK verfügt über etwa 400.000 ehrenamtliche Mitglieder.[5]

2.2 Hilfsorganisationen mit religiösem Hintergrund (2,5 Seiten)

Es werden die Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund (ASB)[6], Johanniter-Unfallhilfe (JUH)[7] und der Malteser-Hilfsdienst (MHD)[8] mit ihren jeweiligen Organisationstrukturen und dem religiösen Bezug dargestellt und die Mitgliedszahlen aufgezeigt. Der ASB verfügt über etwa 12.500 aktive Ehrenamtliche, die JUH über etwa 29.500, der MHD über etwa 44.000. 

3. Türkei (2 Seiten)

Die Strukturen des Katastrophenschutzes in der Türkei werden betrachtet. Es gibt hier, ähnlich wie in Deutschland, verschiedene Ministerien, die für diesen Komplex verantwortlich sind[9]. Anders als in Deutschland ist der Katastrophenschutz zentral gesteuert. Auch in der Türkei arbeiten neben dem Türkischen Roten Halbmond verschiedene NGOs aktiv in der Katastrophenhilfe mit[10].

3.1 Türkischer Roter Halbmond (TRH) (1 Seite)

Es werden die Organisationsstrukturen des TRH sowie die Mitgliederzahlen aufgezeigt. Der TRH verfügt als eine der stärksten nationalen Hilfsgesellschaften der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung über etwa 1,2 Millionen aktive Mitglieder.[11]

3.2 Hilfsorganisationen mit religiösem Hintergrund (2 Seiten)

Die Hilfsorganisationen mit religiösem Hintergrund werden in ihren Organisationsstrukturen, ihrem Selbstverständnis und ihren Mitgliedszahlen aufgezeigt, insbesondere die Organisationen „International Foundation for Human Rights and Fredoms and Humanitarian Relief (IHH)“, die sich als islamische Hilfsorganisation versteht, „Kimse Yok Mu (KYM)“ und „Muslim Aid (MA)“. Letztere Hilfsorganisation versteht sich als Organisation, die Muslimen hilft.[12]

4. Fazit (2,5 Seiten)

Aufgrund der bisher erhobenen Daten erstelle ich im Rahmen des Exposés folgendes vorläufiges Fazit. Bei der endgültigen Ausarbeitung der Hausarbeit können sich Änderungen ergeben.

Die Mitgliedszahlen gegenüberstellend wird man feststellen, dass ehrenamtliche Betätigung im Katastrophenschutz im Allgemeinen in der Türkei gemessen an den Bevölkerungszahlen eine wesentlich höhere Wertigkeit besitzt als in Deutschland. 

Erwartungsgemäß bestätigen die Zahlen für Deutschland deutlich Gerhards Statistik über die Bedeutung der Religion im alltäglichen Leben, sofern man postuliert, dass die aktive Mitgliedschaft in einer religiösen Hilfsorganisation tatsächlich unter anderem mit einer bewussten Entscheidung für diesen christlichen Hintergrund einhergeht.[13] Tatsächlich entscheiden sich über 80 % der Deutschen, die in einer NGO mit Bezug zum Katastrophenschutz freiwillig tätig sein wollen, für eine Tätigkeit beim DRK, also einer nicht religiös motivierten Hilfsorganisation. 

Wenn man den Aufsatz von Gerhards[14] über die kulturellen Unterschiede zu Grunde legt, erscheint es erstaunlich, dass trotz des hohen Grades an Religiosität in der Bevölkerung der Türkei einer konfessionslosen Hilfsorganisation (TRH) der Vorzug gewährt wird. Sicher spielen hier auch andere, in dieser Hausarbeit nicht behandelte Hintergründe wie die historische Entwicklung der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung und die relativ „jungen“ religiösen Hilfsorganisationen eine Rolle. Dennoch erlaubt ein Blick auf diese Zahlen einen positiven Rückschluss auf die Modernisierung in der Türkei und unterstreicht schlussendlich Inglehart, wonach die Akzeptanz der Trennung von Religion und Gesellschaft mit der Modernisierung der Gesellschaft einhergeht.[15]

5. Literaturverzeichnis

Die für die Hausarbeit geforderten vier Titel:

Ganapati, M. Emel (2008): Disaster Management Structure in Turkey: Away from a Reactive and Paternalistic Approach? In: Disaster management handbook. Hrsg. Pinkowski, Jack, Boca Raton: CRC Press, S. 281-317.

Gerhards, Jürgen (2005): Passt die Türkei kulturell zu Europa? „Kulturelle Überdehnung?“ – Kulturelle Unterschiede zwischen der EU und der Türkei. In: Der Bürger im Staat – Europa und die Türkei Ausgabe Heft 3/2005. Stuttgart: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, S. 112-117, online abrufbar unter http://www.buergerimstaat.de/3_05/tuerkei_eu.pdfzuletzt abgerufen am 23.08.2012.
Heimgartner, Arno (2004): Ehrenamtliche bzw. freiwillige Arbeit in Einrichtungen sozialer Arbeit. Frankfurt am Main; New York: P. Lang.

Inglehart, Ronald (1997): Modernization and postmodernization. Cultural, economic, and political change in 43 societies. Princeton, N.J: Princeton University Press.

Weitere verwendete Quellen:

DRK – Das Jahrbuch 2011 – 365 Tage helfen, online abrufbar unter http://www.drk.de/fileadmin/Ueber_uns/Zahlen_Fakten/Jahresberichte/Jahrbuch_2011/DRK_Jahrbuch_2011.pdfzuletzt abgerufen am 23.08.2012.
Grundgesetz Deutschland, online abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gg/gesamt.pdfzuletzt abgerufen am 23.08.2012.
Jahresbericht Johanniter Unfallhilfe (2011), online abrufbar unter http://static2.johanniter.de/user_upload/Bilder/JUH/BG/Publikationen/Jahresbericht/P120262_JB_2011_120622_web.pdf, zuletzt abgerufen am 23.08.2012.
Webseiten:
(jeweils zuletzt abgerufen am 23.08.2012)




[1] Vgl. Gerhards, J. (2005), S. 112
[2] Vgl. Gerhards, J. (2005), S. 113
[4] Vgl. Grundgesetz Deutschland, Art. 30, 70, 73
[5] DRK – Das Jahrbuch 2011 – 365 Tage helfen, S. 48
[7] Vgl. Jahresbericht Johanniter Unfallhilfe (2011), S. 28
[9] Vgl. A new change in the disaster management structure of turkey (2009)
[10] Vgl. Ganapati, M. Emel, (2008) S. 293
[12] Es gestaltete sich außerordentlich schwierig, verlässliche Angaben über die Mitgliedszahlen zu recherchieren, da im Gegensatz zu Deutschland keine Jahresberichte o.ä. veröffentlicht werden. Nach Emailkontakt mit den oben genannten religiösen NGOs und dem DRK-Generalsekretariat sowie dem türkischen Roten Halbmond scheint die Anzahl der Helfer 50.000 bei keiner der Organisationen zu überschreiten. Im Falle der Ausarbeitung der Hausarbeit müssten diesbezügliche Recherchearbeiten weiter intensiviert werden.
[13] Heimgartner, A. (2004), S.12
[14] Vgl. Gerhards, J. (2005)
[15] Inglehart, R. (1997), S. 67-107

Dienstag, 31. Juli 2012

Mein lieber Gevatter Tod...

... gönne uns jetzt bitte eine Pause.


Mittwoch, 27. Juni 2012

Me vs. Mobbi


Man soll seinem inneren Schweinehund ja einen Namen geben. Darf ich vorstellen? Das ist Mobbi.


Mobbi ist, mit Verlaub, ein Arschloch. Viele Jahre hat er sich übermächtig gegen mich gestellt. "Lernen? Sport? Nein, das muss doch nicht sein, sinnlosen Quatsch im TV anschauen ist doch viel schöner!" flüsterte er mir regelmäßig ein. Er ernährt sich bevorzugt von deftiger Hausmannskost, Portionsgrößen nicht unter Familienpizza, eine Mahlzeit ohne Fleisch ist keine Mahlzeit und Schokoladentafeln werden erst ab der 500 gr Milka-Maxi-Tafel gerechnet - alles andere sind doch nur kleine Naschereien. Gerne liefert er jederzeit passende Ausreden. Genetische Prädisposition sei am überbordernden Wohlstandsbauch schuld, keinesfalls verfehlte Essgewohnheiten oder gar Bewegungsmangel, so Mobbi. Mit dem Gewicht ist Sport ohnehin ungesund, meinte er. Außerdem ist das Knie kaputt, damit kann man nicht laufen. Und soooo schlimm sieht das bisschen Übergewicht doch gar nicht aus! BMI über 50? Wissenschaftler sind sich ohnehin einig, dass der BMI eine völlig falsche Rechengröße ist, jeder Bodybuilder sei damit ja übergewichtig. Außerdem gibt es halt Menschen, die einfach etwas molliger sind als andere. Daran ist niemand schuld, das ist halt so. Mobbi meinte auch, dass ich mich ja eigentlich wohl fühle. Und auf Bildern sieht man ja eh immer mindestens 10 kg schwerer aus, als man ist...

Falsch! Das Teil vorn an der Kamera heißt Objektiv, weil es objektiv die Realität darstellt. Ende 2010 habe ich Mobbi den totalen Krieg erklärt. 2011 mit Feuereifer meine IHK-Prüfung abgelegt, die Ernährung umbgestellt, der Trägheit den Kampf angesagt und für deutlich mehr Bewegung gesorgt.

Mittlerweile wurde ein neues Studium begonnen und die Waage zeigt knapp 50 Kilo weniger an, statt Kleidergröße 66 - Modell Zirkuszelt - passen mittlerweile wieder 56er Hosen. Hin und wieder liefert mir Mobbi nach wie vor heftige Gefechte und phasenweise scheint es, er würde die Oberhand gewinnen - aber ich habe ihn bislang immer wieder nieder gerrungen.

Nicht nur der Blick in den Spiegel, der von Mobbi nach wie vor etwas verzerrt wird, auch die Objektivität einer Kamera zeigen Ergebnisse, die einen motivieren, den Kampf aufrecht zu erhalten. 

Nun denn, Mobbi, ich freue mich auf die nächste Runde mit Dir, wir haben noch einen weiten Weg vor uns! Arschloch!

Freitag, 15. Juni 2012

Dein Bart für Deutschland



Ich muss nach wie vor jedes mal schmunzeln, wenn diese Werbung kommt. Als ich sie das erste mal sah, musste ich lachen und meine bessere Hälfte meinte: "Das stehst Du doch eh nicht durch! Du und unrasiert..."

Nun denn, wie ich schonmal in Twitter und Facebook angekündigt hatte (um es in der Meme-Sprache zu sagen):

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Und wer's nicht glaubt, hier der Beweis!

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Nachdem die Nationalmannschaft nun zweimal gewonnen hat, kann ich den ja unmöglich wieder abnehmen. Das geht einfach nicht. Am Ende gibt man mir dann die Schuld, wenn sie nur Zweiter werden. (Wobei das meiner Ansicht nach eher an der Münchner Dominanz in der Mannschaft liegen würde, die können ja nichts anderes als Vize werden...)

In diesem Sinne, noch mindestens zwei Wochen Rasurverbot! *g*

Montag, 11. Juni 2012

Trauer

Vor einem Jahr schrieb ich diese Kurzgeschichte zum Thema Trauer. Heute vor einem Jahr starb unsere Tochter bei der Geburt.

Damals sagte ein in Trauerarbeit erfahrener Kollege zu mir, dass er Trauer immer mit einem Ballon in einem Raum vergleicht. Am Anfang gigantisch groß, den gesamten Raum ausfüllend, mit der Zeit kleiner werdend - aber dennoch stets präsent.

Mein Kollege irrte in einem Punkt. Der Ballon wird nicht kleiner, er wechselt nur sein Volumen. Der Kern - die Trauer als solche - wird lediglich komprimiert, er wird nicht kleiner. Lediglich die Alltagspräsenz wechselt und naturgegeben ist sie in den letzten Tagen wesentlich höher als zu anderen Zeiten, dennoch ist die Trauer um den Verlust, das Gefühl, um einen Teil seines Lebens betrogen worden zu sein, stets allgegenwärtig und der Schmerz genauso intensiv wie vor einem Jahr.

Wir haben im vergangenen Jahr erlebt, was es heißt, ein "Sternenkind" zu haben. Auch wenn sicherlich gut gemeint, helfen Plattitüden wie "Der liebe Gott hat jetzt einen Engel mehr", "Wer weiß, wozu's gut war..." oder "Ihr habt sie ja nicht gekannt. Stellt euch vor, das wäre mit einem Jahr passiert" nicht im mindesten. Im Gegenteil, sie machen wütend und aggressiv.

Natürlich gab es auch die andere Seite. Wir haben von sehr vielen Menschen aufrichtiges und tief empfundenes Mitgefühl erfahren. Die Anteilnahme von Familie, Freunden und Bekannten sorgt noch heute für einen Klos im Hals. All denjenigen möchte ich danke sagen. Danke, dass ihr für uns da gewesen seid. Danke, dass ihr es noch immer seid.