Mittwoch, 16. November 2011

Sanitäter hinterm Maschinengewehr - eine kriegsvölkerrechtliche Betrachtung

Ich bin heute über einen Zeitungsbericht gestolpert, in dem über eine in meinen Augen mutige Frau im Rang eines Hauptfeldwebels bei der Bundeswehr berichtet wird. Sie war im Jahr 2005 im Rahmen des ISAF-Einsatzes in Afghanistan. Dort erhielt sie den Befehl, an der militärischen Absicherung von Camp Warehouse, dem mulinationalen Standort in Kabul, teilzunehmen. Konkret wurde ihr befohlen, Personenkontrollen an afghanischen Frauen vorzunehmen, die dort als lokale Arbeitskräfte beschäftigt wurden.

Soweit zunächst einmal kein Problem. Wäre die Frau nicht im Sanitätsdienst der Bundeswehr eingesetzt. Sie erhielt den Befehl, die Rotkreuz-Armbinde abzunehmen. Sie meldete sich bei dem für sie zuständigen Sicherungsoffizier, einem Oberleutnant, dass sie im Sinne des Kriegsvölkerrechts Nichtkombattant sei und daher für Sicherungsaufgaben nicht eingesetzt werden dürfte. Schon alleine diese Meldung brachte ihr eine Disziplinarbuße von 800 € sowie die strafweise Zurückkommandierung an ihren Standort in Deutschland ein.

Diese Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht oder richtiger gegen die vier Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle haben lange Tradition. Schon zu meinen Zeiten bei der Bundeswehr im Kosovo wurden Sanitätssoldaten zur Absicherung des Feldlagers in Prizren eingesetzt. Selbstverständlich geschieht das mit einer Absolution durch Verteidigungs- und Außenministerium und durch den Bundestag. Offiziell heißt es hier wörtlich: "Völkerrechtliche  Besonderheiten gelten für Angehörige des Santitätsdienstes nicht im Frieden, sondern in Zeiten internationaler bewaffneter Konflikte. [...] Der ISAF-Einsatz findet aber nicht im Rahmen eines internationalen bewaffneten Konflikts statt."

Beängstigend, auf welche Art und Weise hier argumentiert wird. Spätestens, als der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg die Worte "Krieg" und "gefallene Soldaten" in den Mund nahm, wurde auch dem letzten Bürger klar, dass es sich am Hindukusch keinesfalls um eine rein humanitäre Friedensmission handelt. Die gefallenen Soldaten, die in erschreckender Häufigkeit in allen Ehren in Holzsärgen aus den Flugzeugen der Luftwaffe geschoben wurden, sprechen für sich. Von "Frieden" kann in Situationen, in denen es regelmäßig zu Selbstmordattentaten, Angriffen mit Raketen, Anschlägen mit Minen und Sprengfallen und bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, freilich nicht die Rede sein.


Ganz offensichtlich dürfen Bundeswehrgeneräle mit höchster Rückendeckung zentrale Normen der Genfer Konventionen außer Kraft setzen. Die nachfolgend aufgeführten Passagen sprechen für sich:

  • Artikel 12, Abs. 4 des 1. Zusatzprotokolls: "Sanitätseinheiten dürfen unter keinen Umständen für den Versuch benutzt werden, militärische Ziele vor Angriffen abzuschirmen."
  • Art. 9 des 2. Zusatzprotokolls: "Es (das Sanitätspersonal) darf nicht gezwungen werden, Aufgaben zu übernehmen, die mit seinem humanitären Auftrag unvereinbar sind."

Die leidige Frage, ob es sich um einen internationalen bewaffneten Konflikt oder einen Kriegseinsatz handelt, lässt sich hiermit beantworten:

  • Präambel des 1. Zusatzprotokolls: Die Vertragsparteien bekräftigen, dass die Bestimmungen der Genfer Abkommen [...] unter allen Umständen uneingeschränkt auf alle durch diese Übereinkünfte geschützten Personen anzuwenden sind, und zwar ohne jede nachteilige Unterscheidung auf Art oder Ursprung des bewaffneten Konflikts [...]

Ich für meinen Teil halte die auf der Idee Henry Dunants fußenden Regelungen zum Kriegsvölkerrecht für eine der herausragendsten Leistungen der Zivilisation. Unabhängig davon, ob das Völkerrecht von jeder Partei geachtet wird, vermitteln sie doch Hoffnung in Zeiten, in denen es keine geben kann. Sie sorgen für Hilfe für jedermann, unabhängig von seiner politischen oder religiösen Einstellung, unabhängig von durch ihm verursachtes Leid, unabhängig von Hautfarbe, Abstammung oder ethnischer Zugehörigkeit. Sie sorgen für eine Gleichbehandlung, wo Fairness keine Rolle mehr spielt.

Es mag nur eine unbedeutende Kleinigkeit darstellen, ob eine Soldatin aus dem Sanitätswesen der Bundeswehr zum Schutze einer militärischen Anlage Personenkontrollen durchführt, dennoch denke ich dem alten Leitspruch folgend: "Principiis obsta - sero medicina paratur. - Wehret den Anfängen - das Heilmittel kommt sonst zu spät."

Mittwoch, 9. November 2011

Warum Apple-Produkte keinen Ein- und Ausschalter haben sollten

Ich habe die vergangenen Tage die autorisierte Biografie des Apple Gründers Steve Jobs gelesen.

Keine Angst, das wird nun kein Spoiler und auch kein Hochlied auf Steve Jobs, insgesamt würde ich ihn nach der Lektüre als narzistisches, soziopathisches Genie mit psychopathischen Zügen charakterisieren.

Einprägsam und bemerkenswert finde ich aber den Schluss der Biographie, in der er selbst über seinen Glauben und das Leben nach dem Tod befragt wird. Die Zeilen sprechen für sich, ich möchte sie nicht näher kommentieren.

"Mit meinem Glauben an Gott steht es fifty-fifty", sagte er. "Die meiste Zeit meines Lebens war ich der Meinung, dass unsere Existenz aus mehr bestehen müsse als aus dem, was man mit den Augen sehen kann."


Er räumte ein, dass er im Angesicht des Todes die Wahrscheinlichkeit überschätzen würde - aus einem Bedürfnis heraus, an ein Leben nach dem Tod glauben zu wollen. "Ich mag den Gedanken, dass etwas von dir überlebt, wenn du stirbst", meinte er. "Es erscheint seltsam, daran zu denken, dass man all diese Erfahrung angehäuft hat und vielleicht sogar ein wenig Weisheit, und dass all dies einfach so vergeht. Ich möchte wirklich daran glauben, dass etwas überlebt, dass möglicherweise dein Bewusstsein überdauert."


Für eine lange Zeit verfiel er in Schweigen. "Aber vielleicht ist es andererseits wie ein Ein- und Ausschaltknopf", sagte er. "Klick! Und du bist weg."


Erneut machte er eine Pause und lächelte ein wenig: "Vielleicht habe ich es deshalb nie gemocht, Ein- und Ausschaltknopf in Apple-Geräte einzubauen."