Samstag, 25. Juni 2011

Abschied

Heute wurde Tabea bestattet.

Es ist schwer, ein Kind zu verlieren, aber es ist tröstend zu erfahren, wie viel Liebe, Freundschaft und Achtung uns entgegengebracht wurde.

Danke allen, die sich mit uns verbunden fühlten und ihre Anteilnahme in so vielfältiger Weise zum Ausdruck brachten.

Dienstag, 14. Juni 2011

Trauer - eine Kurzgeschichte


„Das also ist Trauer. Sie geht in Wellen.“, denkt er in beinahe wissenschaftlichem Interesse, während die feuchten Rinnsale an seinen Wangen trocknen. In den Wellentälern steht er neben sich. Kühl und distanziert reflektiert er über sich und über das geschehene. „Schon merkwürdig“, seufzt er. „Letzte Woche war die Welt noch in Ordnung.“ Letzte Woche ärgerte er sich über seine Arbeit, über seine Frau, über ein nicht aufgeräumtes Auto, über eine unnötige Ausgabe. Er ärgerte sich über Familienzwistigkeiten und unerbetene Einmischungen. Über Neurosen und Neuröschen von Leuten, die sich für unheimlich wichtig halten. Heute verblasst all das in tiefster Bedeutungslosigkeit. 

Die warmherzige Anteilnahme vieler Menschen in seinem Umfeld schnürt ihm die Kehle zu. Die Ignoranz anderer nimmt ihm den Atem. Er schluckt hart. Nein, er gestattet sich nicht schon wieder zu weinen. Er ringt um Fassung. Dieses Mal gewinnt er.

„Pah!“, schnaubt er zornig, als er sich an die Frage im Bestattungsinstitut erinnert, ob am Grab ein „Vater unser“ gesprochen werden sollte. „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden? Von wegen!“ war sein erster wütender Gedanke. „Alles in Ordnung?“ fragt seine Frau mit tränenverschleiertem Blick. „Ja, das wird schon...“ ist die Antwort, bei der beide wissen, dass sie wahr und gelogen zugleich ist. Sie wissen beide, dass die Trauer irgendwann verblassen wird. Sie wissen beide aber auch, dass es noch schlimmer werden wird. Sie wissen beide, dass sie für sich da sein werden. Immer. Samstag nächste Woche ist die Beerdigung. Bis dahin ein nicht enden wollender Albtraum. Er fürchtet sich vor diesem Tag. Und den folgenden, an denen von ihm erwartet wird, dass er wieder funktioniert.

Der Sohn tappst freudestrahlend durch die Wohnung – seine ersten Schritte. Er freut sich und lacht mit seinem Sohn, unmittelbar gefolgt von einem schlechten Gewissen. „Darf ich trotzdem Spaß haben? Darf ich mich trotzdem meines Lebens freuen?“

Seine Frau geht mit Sohn und Hund mit einer Freundin in die Stadt. Sie gönnt ihm Ruhe – morgen wird er sich revanchieren und ihr ein paar Stunden Ruhe gönnen. Er fühlt die nächste Welle heran rollen. Er weiß, dass sie ihn wieder brechen wird. „Das also ist Trauer. Sie kommt in Wellen...“

Montag, 6. Juni 2011

Calw und der Ku Klux Clan

In meiner beschaulichen Heimatstadt Calw wird ein neuer Bürgermeister gesucht. Soweit einmal nichts ungewöhnliches. Wer die Presse hierzu verfolgt, konnte lesen, dass es eine eine Interessensvereinigung von Bürgern gibt, die mögliche Kandidaten genauer unter die Lupe nimmt. Auch nichts wirklich ungewöhnliches, sollte man meinen. Umso erstaunter war ich, als im "Blättle" der Stadt Calw, dem Calw-Journal am 3. Juni 2011 eine Stellungnahme der Frakionsvorsitzenden zu lesen war. Rot gerahmt, mit streng geheim tituliert auf Seite 3.

Im Original ist das hier nachzulesen.

Achtung!
Streng geheim!


Calwer Geschäftsleute im Bunde mit „Privatleuten“ und dem Schwarzwälder Boten erweisen der Stadt zurzeit einen Bärendienst. Im Vorfeld der anstehenden Neuwahl des Oberbürgermeisters hat sich eine Initiative„OB für Calw“ gegründet, die nicht spart mit unqualifizierter Kritik an Oberbürgermeister Manfred Dunst und dem Gemeinderat. Auf „ Herz und Nieren“ wolle man die Bewerber um das OB-Amt prüfen. Aber woher nimmt diese Initiative den Auftrag? Welches Gremium hat ihr ein Mandat erteilt, sich nach einem „kompetenten, glaubwürdigen, dialogfähigen Oberbürgermeister“ umzuschauen und gleichzeitig die Negativkritik über unseren amtierenden OB zu verbreiten? Die selbsternannte Initiative macht vor dem Gemeinderat nicht halt und fordert auch hier „Dialogfähigkeit, Transparenz und Offenheit“ - Tugenden, von denen sie selbst weit entfernt ist. Laut Schwarzwälder Boten vom 26.5.2011 habe sie sich schon zum dritten Mal geheim getroffen. Zeit und Ort wurden nicht genannt, nicht einmal die Mitglieder dieser ominösen Initiative. Dennoch maßt sie sich an, auf Entscheidungsprozesse des Gemeinderates einwirken zu wollen („Andere politische Richtung gefordert“). In seiner letzten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates wurde dieses Verhalten denn auch als Ku Klux Klan-Methoden gebrandmarkt und quer durch die Fraktionen kritisiert. Die „Initiative OB für Calw“ wird hiermit aufgefordert, zu demokratischen Umgangsformen zum Wohle der Stadt Calw zurückzukehren.



Gezeichnet, die Fraktionsvorsitzenden

Weder bin ich ein besonderer Fan noch ein erklärter Gegner unseres scheidenden Oberbürgermeisters, aber jegliche Kritik im Vorfeld bereits als unqualifiziert ab zu tun, ist schon ein starkes Stück. Mit dieser Stellungnahme haben sich vor allem die Fraktionsvorsitzenden einen Bärendienst erwiesen, wohl weniger die paar Geschäfts- und Privatleute, die lediglich von ihrem Grundrecht nach Art. 5 Grundgesetz Gebrauch gemacht haben.

Wenn ich nun im Bekannten- und Freundeskreis diskutiere, die Politik der Stadt Calw in Bezug auf Kinderbetreuung für falsch halte, den Verfall des alten Rathauses oder des Parkhauses kritisiere, in dem seit Monaten der Fahrstuhl defekt ist und die Treppenaufgänge für Kinderwägen schadhaft sind - laufe ich dann auch Gefahr, zu einer "ominösen" Vereinigung gerechnet zu werden? Muss ich mir ebenfalls die Frage gefallen lassen, inwieweit ich denn dazu legitimiert sei, mir eigene Gedanken zu machen, ob ich hierzu ein Mandat erhalten habe?

Soweit könnte ich das alles noch als "im Eifer des Gefechts" abhaken, als Geplänkel im Vorfeld diverser Wahlkämpfe und Solidarität zu OB Dunst. Was aber eindeutig zu weit geht, was maßlos übers Ziel hinausgeschossen ist, ist ein Vergleich mit Methoden des Ku Klux Clan. Wir erinnern uns einmal kurz zurück, die Mitglieder des Ku Klux Clan tragen weiße Gewänder mit Spitzhüten, betrachten den weißen Menschen als Herr über alle anderen, fordern die Wiedereinführung der Sklaverei, begingen nachweislich viele Morde und Vergewaltigungen.

Meine Herren Fraktionsvorsitzenden: Auch wenn dieser Ausspruch nicht von Ihnen persönlich kam sondern von einem Gemeinderat, was an und für sich schon schlimm genug ist, so macht es die Wiederholung im Gemeindeblatt ohne sich von diesem unsäglichen Ausspruch zu distanzieren umso schlimmer. So nicht! Auch wenn ich Mitglied einer der Parteien, die Fraktionen im Gemeinderat bilden, bin - so verwundert mich bei diesem Stil die zunehmende Politikverdrossenheit der Bürger nicht. Engagiert man sich, macht man sich Gedanken, so ist das der Lohn. Man wird auf eine Stufe gestellt mit Mördern und Vergewaltigern.

Ich bin beileibe kein Freund von "Political Correctness", wie es neudeutsch so schön heißt. Ich gestehe jedem Menschen zu, "Frei Schnauze" zu argumentieren. Dennoch gibt es Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Und diese wurde hier nicht überschritten, sie wurde im Gallop überrannt.