Samstag, 31. Dezember 2011

Review 2011/Lookout 2012

Vor einem Jahr habe ich Ziele für 2011 definiert.

1. Ziel: Fachwirtprüfung ablegen. Dieses Ziel wurde zur Gänze erreicht. Ich habe das Fernstudium beendet und die IHK-Prüfung erfolgreich hinter mich gebracht.

2. Ziel: Mindestens 300 km dokumentiert wandern/laufen. Hier lasse ich Runtastic sprechen, über dieses Portal habe ich die Strecken geloggt: 


3. Ziel: Gewicht um 20% reduzieren: Failed. Das war dann doch zu viel, es waren dann doch "nur" 15%.

Nun, wenn auch knapp daneben, ich habe das Ziel verfehlt. Das iPad wird noch warten müssen.

Ich sagte vor einigen Tagen zu einem Freund, dass ich das vergangene Jahr gerne vollständig aus dem Kalender streichen würde. Das ist so natürlich Unsinn, trotzdem führt es im Ranking der "Worst-years-ever" mit Abstand. Ich habe in diesem Jahr erleben müssen, wie sich nahe geglaubte Menschen in Zeiten der Not von einem abwenden. Ich habe schmerzlich gelernt, was Verlust bedeutet. Aber ich habe ebenso erfahren dürfen, was es bedeutet, Freunde zu haben. Ich habe Anteilnahme und Mitgefühl erleben dürfen. All den Menschen, die dieses Jahr zu uns gestanden haben, bin ich in tiefer Dankbarkeit verbunden. Mein ganz persönliches Fazit für 2011: "Lippenbekenntnisse offenbaren sich in Zeiten der Not; wahre Liebe und Freundschaft werden bewiesen."


Welche Ziele habe ich nun für 2012?

Ziel 1: Der Dauerbrenner: Gewichtsverlust um weitere 10%.
Ziel 2: Das Wandern ist des Vetters Lust... Eigentlich nicht wirklich, aber dennoch nehme ich mir für 2012 200 km vor.
Ziel 3: Veränderung. Schwer quantifizierbar ist der Grad der persönlichen Zufriedenheit. Dennoch möchte ich in 2012 Veränderungen herbeiführen, die diesen Grad steigern. 

Mit erreichen des Ziels stelle ich mir ein McBook in Aussicht ;-)

Abschließen möchte ich dieses Jahr mit einem Zitat von Erich Kästner:

"Wird's besser? Wird's schlimmer?" fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich!




Mittwoch, 16. November 2011

Sanitäter hinterm Maschinengewehr - eine kriegsvölkerrechtliche Betrachtung

Ich bin heute über einen Zeitungsbericht gestolpert, in dem über eine in meinen Augen mutige Frau im Rang eines Hauptfeldwebels bei der Bundeswehr berichtet wird. Sie war im Jahr 2005 im Rahmen des ISAF-Einsatzes in Afghanistan. Dort erhielt sie den Befehl, an der militärischen Absicherung von Camp Warehouse, dem mulinationalen Standort in Kabul, teilzunehmen. Konkret wurde ihr befohlen, Personenkontrollen an afghanischen Frauen vorzunehmen, die dort als lokale Arbeitskräfte beschäftigt wurden.

Soweit zunächst einmal kein Problem. Wäre die Frau nicht im Sanitätsdienst der Bundeswehr eingesetzt. Sie erhielt den Befehl, die Rotkreuz-Armbinde abzunehmen. Sie meldete sich bei dem für sie zuständigen Sicherungsoffizier, einem Oberleutnant, dass sie im Sinne des Kriegsvölkerrechts Nichtkombattant sei und daher für Sicherungsaufgaben nicht eingesetzt werden dürfte. Schon alleine diese Meldung brachte ihr eine Disziplinarbuße von 800 € sowie die strafweise Zurückkommandierung an ihren Standort in Deutschland ein.

Diese Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht oder richtiger gegen die vier Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle haben lange Tradition. Schon zu meinen Zeiten bei der Bundeswehr im Kosovo wurden Sanitätssoldaten zur Absicherung des Feldlagers in Prizren eingesetzt. Selbstverständlich geschieht das mit einer Absolution durch Verteidigungs- und Außenministerium und durch den Bundestag. Offiziell heißt es hier wörtlich: "Völkerrechtliche  Besonderheiten gelten für Angehörige des Santitätsdienstes nicht im Frieden, sondern in Zeiten internationaler bewaffneter Konflikte. [...] Der ISAF-Einsatz findet aber nicht im Rahmen eines internationalen bewaffneten Konflikts statt."

Beängstigend, auf welche Art und Weise hier argumentiert wird. Spätestens, als der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg die Worte "Krieg" und "gefallene Soldaten" in den Mund nahm, wurde auch dem letzten Bürger klar, dass es sich am Hindukusch keinesfalls um eine rein humanitäre Friedensmission handelt. Die gefallenen Soldaten, die in erschreckender Häufigkeit in allen Ehren in Holzsärgen aus den Flugzeugen der Luftwaffe geschoben wurden, sprechen für sich. Von "Frieden" kann in Situationen, in denen es regelmäßig zu Selbstmordattentaten, Angriffen mit Raketen, Anschlägen mit Minen und Sprengfallen und bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, freilich nicht die Rede sein.


Ganz offensichtlich dürfen Bundeswehrgeneräle mit höchster Rückendeckung zentrale Normen der Genfer Konventionen außer Kraft setzen. Die nachfolgend aufgeführten Passagen sprechen für sich:

  • Artikel 12, Abs. 4 des 1. Zusatzprotokolls: "Sanitätseinheiten dürfen unter keinen Umständen für den Versuch benutzt werden, militärische Ziele vor Angriffen abzuschirmen."
  • Art. 9 des 2. Zusatzprotokolls: "Es (das Sanitätspersonal) darf nicht gezwungen werden, Aufgaben zu übernehmen, die mit seinem humanitären Auftrag unvereinbar sind."

Die leidige Frage, ob es sich um einen internationalen bewaffneten Konflikt oder einen Kriegseinsatz handelt, lässt sich hiermit beantworten:

  • Präambel des 1. Zusatzprotokolls: Die Vertragsparteien bekräftigen, dass die Bestimmungen der Genfer Abkommen [...] unter allen Umständen uneingeschränkt auf alle durch diese Übereinkünfte geschützten Personen anzuwenden sind, und zwar ohne jede nachteilige Unterscheidung auf Art oder Ursprung des bewaffneten Konflikts [...]

Ich für meinen Teil halte die auf der Idee Henry Dunants fußenden Regelungen zum Kriegsvölkerrecht für eine der herausragendsten Leistungen der Zivilisation. Unabhängig davon, ob das Völkerrecht von jeder Partei geachtet wird, vermitteln sie doch Hoffnung in Zeiten, in denen es keine geben kann. Sie sorgen für Hilfe für jedermann, unabhängig von seiner politischen oder religiösen Einstellung, unabhängig von durch ihm verursachtes Leid, unabhängig von Hautfarbe, Abstammung oder ethnischer Zugehörigkeit. Sie sorgen für eine Gleichbehandlung, wo Fairness keine Rolle mehr spielt.

Es mag nur eine unbedeutende Kleinigkeit darstellen, ob eine Soldatin aus dem Sanitätswesen der Bundeswehr zum Schutze einer militärischen Anlage Personenkontrollen durchführt, dennoch denke ich dem alten Leitspruch folgend: "Principiis obsta - sero medicina paratur. - Wehret den Anfängen - das Heilmittel kommt sonst zu spät."

Mittwoch, 9. November 2011

Warum Apple-Produkte keinen Ein- und Ausschalter haben sollten

Ich habe die vergangenen Tage die autorisierte Biografie des Apple Gründers Steve Jobs gelesen.

Keine Angst, das wird nun kein Spoiler und auch kein Hochlied auf Steve Jobs, insgesamt würde ich ihn nach der Lektüre als narzistisches, soziopathisches Genie mit psychopathischen Zügen charakterisieren.

Einprägsam und bemerkenswert finde ich aber den Schluss der Biographie, in der er selbst über seinen Glauben und das Leben nach dem Tod befragt wird. Die Zeilen sprechen für sich, ich möchte sie nicht näher kommentieren.

"Mit meinem Glauben an Gott steht es fifty-fifty", sagte er. "Die meiste Zeit meines Lebens war ich der Meinung, dass unsere Existenz aus mehr bestehen müsse als aus dem, was man mit den Augen sehen kann."


Er räumte ein, dass er im Angesicht des Todes die Wahrscheinlichkeit überschätzen würde - aus einem Bedürfnis heraus, an ein Leben nach dem Tod glauben zu wollen. "Ich mag den Gedanken, dass etwas von dir überlebt, wenn du stirbst", meinte er. "Es erscheint seltsam, daran zu denken, dass man all diese Erfahrung angehäuft hat und vielleicht sogar ein wenig Weisheit, und dass all dies einfach so vergeht. Ich möchte wirklich daran glauben, dass etwas überlebt, dass möglicherweise dein Bewusstsein überdauert."


Für eine lange Zeit verfiel er in Schweigen. "Aber vielleicht ist es andererseits wie ein Ein- und Ausschaltknopf", sagte er. "Klick! Und du bist weg."


Erneut machte er eine Pause und lächelte ein wenig: "Vielleicht habe ich es deshalb nie gemocht, Ein- und Ausschaltknopf in Apple-Geräte einzubauen."

Montag, 24. Oktober 2011

S21 - The neverending story


Verkehrte Welt. Befürworter des Projekts müssen mit "nein" stimmen, Gegner mit "ja". Aber noch mal von vorne, was ist eigentlich passiert? Die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg reichte ein Gesetz ein. Soweit nichts ungewöhnliches, so etwas machen Regierungen bekanntlich von Zeit zu Zeit. Das wirklich bemerkenswerte an dem "Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S21-Kündigungsgesetz)" war, dass es von den einbringenden Parteien selbst abgelehnt wurde. Auf diese Weise öffnete sich das Hintertürchen zu einer Volksabstimmung, die ansonsten verfassungsrechtlich nicht möglich gewesen wäre. Inwieweit dieses Vorgehen nun tatsächlich verfassungskonform ist, prüft derzeit der Staatsgerichtshof nach einer entsprechenden Klage des Freiburger Universitätsprofessors Manfred Löwisch. 

Nun kann der Bürger also bestimmen. Nicht etwa, ob S21 realisiert werden soll, sondern ob das Land vertragsbrüchig werden darf. Wer mit "ja" stimmt, legitimiert die Landesregierung dazu, die Verträge mit der Deutschen Bahn aufzukündigen und unter Umständen vertragsstrafenpflichtig zu werden. Wer mit "nein" stimmt, möchte erreichen, dass das Land sich an die geschlossenen Verträge hält.

Oder einfacher ausgedrückt:



Winfried Mack (CDU) formuliert das folgendermaßen: Die Frage, die den Bürgern gestellt werde, sei "stark tendenziös und missverständlich. dieser Stimmzettel führt den Abstimmungsbürger hinters Licht."

Inwieweit diese unterm Strich doch recht missverständliche Formulierung einer der Seiten hilft, bleibt abzuwarten. Während viele Befürworter befürchten, dass einige aus Unkenntnis der Sachlage "ja" ankreuzen, kann das umgekehrt natürlich genauso gelten - viele Gegner könnten mit "nein" abstimmen. Harren wir also der Dinge, die da kommen mögen.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Stay hungry, stay foolish

Steve Jobs. Genie, Erfinder, Visionär. Heute ist er gestorben. Unvergessen werden seine Pressekonferenzen bleiben, bei denen tausende Journalisten stets auf den berühmten Ausspruch "There is one more thing" warteten, mit denen er bahnbrechende Innovationen präsentierte. Er prägte mit seinen Erfindungen und Entwicklungen eine ganze Generation. Kritiker der "i"-Produkte wie iPod, iPhone, iPad usw. sprechen von überteuerten Produkten. Es gäbe bessere Produkte, moderne Technik zu günstigeren Preisen. Dem vermag ich objektiv nicht zu widersprechen, aber Steve Jobs war stets der Vorreiter und die Konkurrenz zog lediglich nach. Es sind seine Visionen, auf denen HTC, Samsung usw. aufbauen. Steve Jobs war ein Marketing-Genie. Er schaffte es, die Produkte mit dem angebissenen Apfel zu kultigen Lifestyle-Objekten zu erheben und ich gestehe freimütig, dass ich dieser Faszination ebenso erlegen bin. Das iPhone ist für mich als praktischer Alltagshelfer in allen Lebenslagen nicht mehr weg zu denken. Ich hoffe, dass Apple auch ohne Jobs diesen Erwartungen gerecht werden kann. Das sprichwörtliche Erbe ist allerdings schwer.

Für mich ist Steve Jobs nach wie vor eine Inspiration. Nicht aufgrund der Apple-Produkte - auch wenn es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, von seinem Tod auf dem iPhone zu lesen, das einen morgens geweckt hat - sondern aufgrund seiner Lebenseinstellung, seinem unermüdlichen Tatendrang und den Visionen, die er gelebt hat.

Unvergessen wird seine Rede vor der Stanford University im Jahr 2005 bleiben. Das ist keine Rede, bei der man gelangweilt und höflich zuhörte. Es ist eine Rede, die einen im tiefsten Inneren berührt - heute mehr denn je.



Es ist mir eine Ehre, heute bei Ihnen auf der Abschlussfeier einer der besten Universitäten der Welt sprechen zu dürfen. Ich habe keinen College-Abschluss. Um die Wahrheit zu sagen, ich war einem College-Abschluss noch nie so nahe wie heute auf dieser Feier. Ich möchte Ihnen drei Geschichten aus meinem Leben erzählen. Nur drei Geschichten:


Die erste Geschichte handelt von der Verbindung der Punkte. Ich verließ das Reed College schon nach den ersten sechs Monaten, blieb aber in der Gegend und besuchte die Schule weitere 18 Monate eher sporadisch, bevor ich sie endgültig verließ. Warum tat ich das?


Die Geschichte begann schon vor meiner Geburt. Meine biologische Mutter war eine junge, unverheiratete College-Absolventin. Deshalb beschloss sie, mich zur Adoption freizugeben. Sie war entschieden der Ansicht, ich sollte von Leuten adoptiert werden, die einen College-Abschluss besaßen, und so traf man alle Vorbereitungen, damit ich bei meiner Geburt von einem Rechtsanwalt und seiner Frau adoptiert wurde. Doch in letzter Minute fiel ihnen ein, dass sie doch lieber ein Mädchen wollten. So kam es, dass meine Eltern, die auf einer Warteliste standen, mitten in der Nacht einen Anruf erhielten. Man sagte ihnen: «Wir haben hier ganz unerwartet einen neugeborenen Jungen. Wollen Sie ihn haben?» Meine Eltern antworteten: «Natürlich.» Später erfuhr meine biologische Mutter, dass meine Mutter keinen College- und mein Vater nicht einmal einen Highschool-Abschluss hatte. Darum weigerte sie sich, die Adoptionsunterlagen zu unterzeichnen. Erst einige Monate später willigte sie ein, nachdem meine Eltern ihr versprochen hatten, dass ich eines Tages das College besuchen würde.
Und siebzehn Jahre später ging ich tatsächlich aufs College. Doch in meiner Naivität wählte ich eines, das fast so teuer war wie Stanford, so dass meine Ausbildung die gesamten Ersparnisse meiner aus der Arbeiterschicht stammenden Eltern verschlang. Nach sechs Monaten erkannte ich, welchen Wert das hatte. Ich hatte keine Idee, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, und keine Idee, wie das College mir helfen konnte, das herauszufinden. Und dafür gab ich das gesamte Geld aus, das meine Eltern in ihrem ganzen Leben angespart hatten. Darum beschloss ich, das College zu verlassen, und vertraute darauf, dass sich schon alles finden werde. Im Rückblick war es eine der besten Entscheidungen, die ich jemals getroffen habe. Denn nach meinem Abgang wählte ich nur noch solche Kurse, die mir interessant erschienen.
Das war keineswegs romantisch. Ich hatte kein Zimmer im Wohnheim und schlief deshalb im Zimmer eines Freundes auf dem Boden. Ich sammelte Colaflaschen, um mir von den 5 Cent Pfand Lebensmittel zu kaufen. Und jeden Sonntagabend ging ich zu Fuss zehn Kilometer quer durch die Stadt, um im Hare-Krishna-Tempel wenigstens eine gute Mahlzeit in der Woche zu erhalten. Viele Dinge, auf die ich stieß, weil ich meiner Neugier und meiner Intuition folgte, erwiesen sich später als unbezahlbar.
Das Reed College bot damals die im ganzen Land wohl beste Einführung in die Kalligrafie an. Auf dem gesamten Campus waren alle Plakate und die Aufschriften auf jeder Schublade wunderschön von Hand kalligrafiert. Da ich abgegangen war und nicht die normalen Kurse belegen musste, beschloss ich, den Kalligrafiekurs zu besuchen und zu lernen, wie man das macht. Ich lernte, welche Schriftarten es gibt, wie die Abstände zwischen den verschiedenen Buchstabenkombinationen zu wählen sind und was gute Typografie ausmacht. Es war eine wunderschöne, historisch gewachsene und künstlerisch subtile Arbeit, die sich wissenschaftlich gar nicht fassen lässt und die mich faszinierte.
Es war nicht zu erwarten, dass diese Dinge irgendwann einmal in meinem Leben praktische Bedeutung erlangen könnten. Doch als wir zehn Jahre später den ersten Macintosh-Computer entwarfen, kam mir all das wieder in den Sinn. Und die ganze Erfahrung floss in den Mac ein. Der Macintosh war der erste Computer mit einer schönen Typografie. Hätte ich auf dem College nicht diesen Kurs besucht, wäre der Mac nie mit mehreren Schriftarten oder proportionalen Abständen zwischen den Buchstaben ausgestattet worden. Und da Windows den Mac einfach kopierte, hätte wahrscheinlich bis heute kein Personalcomputer solche Schriften. Hätte ich das College nicht verlassen, wäre ich nicht auf die wunderbare Typografie gestossen, die unsere Computer heute auszeichnet. Natürlich war es während der Zeit am College unmöglich, die Punkte im Blick auf die Zukunft miteinander zu verbinden. Aber im Rückblick zehn Jahre später war das alles sehr klar.
Sie können die Punkte nicht in der Vorausschau, wohl aber im Rückblick verbinden. Also müssen Sie darauf vertrauen, dass die Punkte sich irgendwann in Ihrer Zukunft verbinden. Sie müssen auf irgendetwas vertrauen – auf Ihren Bauch, das Schicksal, das Leben, das Karma oder sonst etwas. Dieses Vorgehen hat mein Leben entscheidend beeinflusst.
Meine zweite Geschichte handelt von Liebe und Verlust. Ich war erfolgreich. Schon früh in meinem Leben hatte ich herausgefunden, was mir Spaß machte. Als ich zwanzig war, gründeten Woz und ich in der Garage meiner Eltern Apple. Wir arbeiteten hart, und innerhalb von zehn Jahren wurde aus unserer Garagenfirma ein Großunternehmen mit zwei Milliarden Dollar Umsatz und über 4000 Angestellten. Wir hatten gerade unsere schönste Schöpfung, den Macintosh, vorgestellt, und ich war gerade dreißig geworden.
Da wurde ich entlassen. Wie kann jemand von einer Firma entlassen werden, die er selbst gegründet hat? Nun, als Apple grösser wurde, stellte ich jemanden ein, von dem ich glaubte, er besitze die nötigen Fähigkeiten, um das Unternehmen gemeinsam mit mir zu führen. Doch mit der Zeit entwickelten wir unterschiedliche Visionen, und es kam zum Bruch. In dieser Situation stellte der Aufsichtsrat sich auf seine Seite.
Ein paar Monate lang wusste ich wirklich nicht, wie es weitergehen sollte. Ich hatte das Gefühl, gegenüber der vorangegangenen Unternehmergeneration versagt zu haben – ich hätte den Stab fallen lassen, den sie an mich weitergegeben hatten. Es war ein sehr öffentliches Scheitern gewesen, und ich dachte sogar daran, aus dem Silicon Valley zu flüchten. Aber dann dämmerte mir etwas. Ich liebte meine Arbeit immer noch. Und so beschloss ich, von vorn anzufangen.
Damals sah ich es noch nicht, aber bald zeigte sich, dass mir gar nichts Besseres hätte passieren können als der Rauswurf bei Apple. An die Stelle der Schwere des Erfolgs trat die Leichtigkeit des Neuanfangs. Die Dinge schienen nicht mehr so festgefügt. Ich war frei für den Beginn einer der kreativsten Phasen meines Lebens.
Innerhalb der nächsten fünf Jahre baute ich eine Firma namens NeXT und eine weitere namens Pixar auf und verliebte mich in eine wunderbare Frau, die später meine Ehefrau wurde. Pixar schuf den ersten computeranimierten Spielfilm der Welt, «Toy Story», und ist heute das erfolgreichste Trickfilmstudio der Welt. In einer bemerkenswerten Wendung der Ereignisse kaufte Apple später dann NeXt, und ich kehrte zu Apple zurück. Die von NeXT entwickelte Technologie steht im Mittelpunkt der gegenwärtigen Renaissance von Apple. Und gemeinsam mit Laurene habe ich eine wunderbare Familie.
Manchmal wirft das Leben Ihnen einen Ziegelstein an den Kopf. Verlieren Sie nicht die Zuversicht! Ich bin mir sicher, das Einzige, was mich damals aufrechterhielt, war die Liebe zu meiner Arbeit. Sie müssen herausfinden, was Sie lieben. Das gilt für die Arbeit ebenso wie für geliebte Menschen. Die Arbeit wird einen großen Teil Ihres Lebens einnehmen, und Sie werden nur gute Arbeit leisten können, wenn Sie ihre Arbeit lieben. Also suchen Sie, bis Sie finden! Lassen Sie nie nach!
Meine dritte Geschichte handelt vom Tod. Mit siebzehn Jahren las ich einen Spruch, der etwa folgendermassen lautete: «Wenn du jeden Tag so lebst, als wäre es dein letzter, wirst du ganz sicher eines Tages recht haben.» So schaue ich nun seit dreiunddreißig Jahren jeden Morgen in den Spiegel und frage mich: «Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich dann tun, was ich mir für heute vorgenommen habe?» Und wenn die Antwort allzu oft hintereinander Nein lautet, weiss ich, dass ich etwas ändern muss.
An den möglicherweise nahen Tod zu denken, ist nach meiner Erfahrung das stärkste Hilfsmittel, wenn es darum geht, wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Weil nahezu alles, alle äussere Erwartung, aller Stolz, alle Angst vor Schwierigkeiten oder Scheitern, angesichts des Todes von einem abfallen, so dass nur das wirklich Wichtige bleibt. Wir sind immer nackt. Es gibt keinen Grund, nicht der Stimme des Herzens zu folgen.
Vor gut einem Jahr wurde bei mir Krebs festgestellt. Die Ärzte sagten mir, es handle sich mit grösster Wahrscheinlichkeit um einen unbehandelbaren Krebs. Ich solle mich darauf einstellen, nur noch drei bis sechs Monate zu leben. Ich lebte den ganzen Tag mit dieser Diagnose. Gegen Abend wurde eine Biopsie durchgeführt. Man hatte mich sediert, aber meine Frau, die dabei war, erzählte mir, die Ärzte hätte Tränen in den Augen gehabt, als sie unter dem Mikroskop erkannten, dass es sich um eine sehr seltene Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs handelte, die operiert werden kann. Die Operation wurde durchgeführt, und jetzt bin ich wieder gesund.
Der Tod ist unser aller Schicksal. Und das ist gut so, denn der Tod ist wahrscheinlich eine der besten Erfindungen des Lebens. Er sorgt für die Veränderung des Lebens. Ihre Zeit ist begrenzt! Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit damit, dass Sie das Leben eines anderen leben. Lassen Sie sich nicht von Dogmen einengen. Dogmen sind das Ergebnis des Denkens anderer Menschen. Lassen Sie nicht zu, dass der Lärm fremder Meinungen Ihre eigene innere Stimme übertönt. Und vor allem haben Sie Mut, Ihrem Herzen und Ihrer Intuition zu folgen.
In meiner Jugend gab es eine wunderbare Publikation mit dem Titel «The Whole Earth Catalog», die zu den Bibeln meiner Generation gehörte. Herausgeber war Stewart Brand, der dem Unternehmen mit seiner poetischen Ader Leben einhauchte. Es war gewissermassen Google in Buchform, 35 Jahre vor der Entstehung von Google – ein idealistisches Unternehmen voller grosser Ideen und nützlicher Hilfsmittel. Stewart und sein Team brachten mehrere Ausgaben des Whole Earth Catalog heraus, und als die Zeit gekommen war, Mitte der Siebziger, stellten sie das Unternehmen ein. Auf dem Rückenumschlag der letzten Ausgabe befand sich die Fotografie einer Landstrasse am frühen Morgen, darunter standen die Worte: «Bleibt hungrig! Bleibt verrückt!»
Genau das habe ich mir immer für mich selbst gewünscht. Und nun, nach Ihrem College-Abschluss, wünsche ich Ihnen genau dasselbe.
Bleiben Sie hungrig! Bleiben Sie verrückt! 

Sonntag, 25. September 2011

Von Päpsten, Demokratie und Teekannen

Nun ist er also vorbei, der Papstbesuch. Was hat er uns gebracht? Eine Annäherung der Religionen? Eine Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften? Eine offizielle Entschuldigung bei den Opfern von Mißbrauchsfällen? Mitnichten.

Vielmehr spalten Papst und die katholische Kirche die Nation in einem größeren Ausmaß, als es ohnehin schon der Fall gewesen war. Sicherlich ist der Aufruf, die Kirche möge sich "entweltlichen", Staat und Kirche seien klarer zu trennen, prinzipiell als begrüßenswert zu betrachten. Die Ansprache vor dem Bundestag führt dieses Lippenbekenntnis jedoch ad absurdum. Selbstverständlich sei der Papst auch als Staatsoberhaupt zu betrachten, heißt es von Seiten der Befürworter dieser Ansprache. Auch wenn man den Umstand, dass der Vatikan ein Staat mit gerade einmal 600 Einwohnern mit dem Argument, dass er als "führendes Organ" von über 1,1 Milliarden Gläubigen gilt, beiseite wischen mag, so hätte dennoch genügend gegen die Profilierung des Papstes vor dem Bundestag gesprochen. Denn selbstverständlich kam der Papst eben nicht als Staatsmann, er kam als Kirchenoberhaupt, als religiöser Führer einer Weltkirche ohne einen Funken einer demokratischen Legitimation.

Warum er nun also ausgerechnet mit dem staatsmännischen Anstrich in einem Haus der politischen Debatte, des Für und Wider, der Aktion und Reaktion sprechen durfte, erschließt sich mir nicht. Widerspruch war nicht vorgesehen, die Abgeordneten hatten höflich zuzuhören und zu applaudieren. Hätte er sich der Diskussion gestellt, hätte er Stellung zur Verschleierungspolitik bei Mißbrauchsfällen an Schutzbefohlenen, zur Verhütungsfrage, zu den überalterten zölibatären Regularien genommen, hätte er erkennen lassen, dass ihm an einer Annäherung der Weltkirchen gelegen ist, hätte er von Gleichberechtigung von Mann und Frau innerhalb der Kirche gesprochen und Reformen angekündigt - dann wären die kritischen Stimmen verstummt. So aber fällt mir wieder nur das Gleichnis von Russels Teekanne ein:




„Wenn ich behaupten würde, dass es zwischen Erde und Mars eine Teekanne aus Porzellan gäbe, welche auf einer elliptischen Bahn um die Sonne kreise, so könnte niemand meine Behauptung widerlegen, vorausgesetzt, ich würde vorsichtshalber hinzufügen, dass diese Kanne zu klein sei, um selbst von unseren leistungsfähigsten Teleskopen entdeckt werden zu können. Aber wenn ich nun weiterhin auf dem Standpunkt beharrte, meine unwiderlegbare Behauptung zu bezweifeln sei eine unerträgliche Anmaßung menschlicher Vernunft, dann könnte man zu Recht meinen, ich würde Unsinn erzählen. Wenn jedoch in antiken Büchern die Existenz einer solchen Teekanne bekräftigt würde, dies jeden Sonntag als heilige Wahrheit gelehrt und in die Köpfe der Kinder in der Schule eingeimpft würde, dann würde das Anzweifeln ihrer Existenz zu einem Zeichen von Exzentrizität werden. Es würde dem Zweifler, in einem aufgeklärten Zeitalter, die Aufmerksamkeit eines Psychiaters oder, in einem früheren Zeitalter, die Aufmerksamkeit eines Inquisitors einbringen.“


Richard Dawkins ergänzt hierzu:


„Der Grund, wieso organisierte Religion offene Feindschaft verdient, ist, dass Religion, anders als der Glaube an Russells Teekanne, mächtig, einflussreich und steuerbefreit ist und systematisch an Kinder weitergegeben wird, die zu jung sind, sich dagegen zu wehren. Kinder sind nicht gezwungen, ihre prägenden Jahre damit zu verbringen, verrückte Bücher über Teekannen auswendig zu lernen. Staatlich subventionierte Schulen schließen keine Kinder vom Unterricht aus, deren Eltern das falsche Aussehen der Teekanne bevorzugen. Teekannen-Gläubige steinigen keine Teekannen-Ungläubigen, Teekannen-Renegaten, Teekannen-Ketzer und Teekannen-Lästerer zu Tode. Mütter warnen ihre Söhne nicht davor, Teekannen-Schicksen zu heiraten, deren Eltern an drei Teekannen statt an eine glauben. Leute, die ihre Milch zuerst einschenken, schießen nicht jenen, die den Tee zuerst einschenken, die Kniescheiben weg.“




Samstag, 25. Juni 2011

Abschied

Heute wurde Tabea bestattet.

Es ist schwer, ein Kind zu verlieren, aber es ist tröstend zu erfahren, wie viel Liebe, Freundschaft und Achtung uns entgegengebracht wurde.

Danke allen, die sich mit uns verbunden fühlten und ihre Anteilnahme in so vielfältiger Weise zum Ausdruck brachten.

Dienstag, 14. Juni 2011

Trauer - eine Kurzgeschichte


„Das also ist Trauer. Sie geht in Wellen.“, denkt er in beinahe wissenschaftlichem Interesse, während die feuchten Rinnsale an seinen Wangen trocknen. In den Wellentälern steht er neben sich. Kühl und distanziert reflektiert er über sich und über das geschehene. „Schon merkwürdig“, seufzt er. „Letzte Woche war die Welt noch in Ordnung.“ Letzte Woche ärgerte er sich über seine Arbeit, über seine Frau, über ein nicht aufgeräumtes Auto, über eine unnötige Ausgabe. Er ärgerte sich über Familienzwistigkeiten und unerbetene Einmischungen. Über Neurosen und Neuröschen von Leuten, die sich für unheimlich wichtig halten. Heute verblasst all das in tiefster Bedeutungslosigkeit. 

Die warmherzige Anteilnahme vieler Menschen in seinem Umfeld schnürt ihm die Kehle zu. Die Ignoranz anderer nimmt ihm den Atem. Er schluckt hart. Nein, er gestattet sich nicht schon wieder zu weinen. Er ringt um Fassung. Dieses Mal gewinnt er.

„Pah!“, schnaubt er zornig, als er sich an die Frage im Bestattungsinstitut erinnert, ob am Grab ein „Vater unser“ gesprochen werden sollte. „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden? Von wegen!“ war sein erster wütender Gedanke. „Alles in Ordnung?“ fragt seine Frau mit tränenverschleiertem Blick. „Ja, das wird schon...“ ist die Antwort, bei der beide wissen, dass sie wahr und gelogen zugleich ist. Sie wissen beide, dass die Trauer irgendwann verblassen wird. Sie wissen beide aber auch, dass es noch schlimmer werden wird. Sie wissen beide, dass sie für sich da sein werden. Immer. Samstag nächste Woche ist die Beerdigung. Bis dahin ein nicht enden wollender Albtraum. Er fürchtet sich vor diesem Tag. Und den folgenden, an denen von ihm erwartet wird, dass er wieder funktioniert.

Der Sohn tappst freudestrahlend durch die Wohnung – seine ersten Schritte. Er freut sich und lacht mit seinem Sohn, unmittelbar gefolgt von einem schlechten Gewissen. „Darf ich trotzdem Spaß haben? Darf ich mich trotzdem meines Lebens freuen?“

Seine Frau geht mit Sohn und Hund mit einer Freundin in die Stadt. Sie gönnt ihm Ruhe – morgen wird er sich revanchieren und ihr ein paar Stunden Ruhe gönnen. Er fühlt die nächste Welle heran rollen. Er weiß, dass sie ihn wieder brechen wird. „Das also ist Trauer. Sie kommt in Wellen...“

Montag, 6. Juni 2011

Calw und der Ku Klux Clan

In meiner beschaulichen Heimatstadt Calw wird ein neuer Bürgermeister gesucht. Soweit einmal nichts ungewöhnliches. Wer die Presse hierzu verfolgt, konnte lesen, dass es eine eine Interessensvereinigung von Bürgern gibt, die mögliche Kandidaten genauer unter die Lupe nimmt. Auch nichts wirklich ungewöhnliches, sollte man meinen. Umso erstaunter war ich, als im "Blättle" der Stadt Calw, dem Calw-Journal am 3. Juni 2011 eine Stellungnahme der Frakionsvorsitzenden zu lesen war. Rot gerahmt, mit streng geheim tituliert auf Seite 3.

Im Original ist das hier nachzulesen.

Achtung!
Streng geheim!


Calwer Geschäftsleute im Bunde mit „Privatleuten“ und dem Schwarzwälder Boten erweisen der Stadt zurzeit einen Bärendienst. Im Vorfeld der anstehenden Neuwahl des Oberbürgermeisters hat sich eine Initiative„OB für Calw“ gegründet, die nicht spart mit unqualifizierter Kritik an Oberbürgermeister Manfred Dunst und dem Gemeinderat. Auf „ Herz und Nieren“ wolle man die Bewerber um das OB-Amt prüfen. Aber woher nimmt diese Initiative den Auftrag? Welches Gremium hat ihr ein Mandat erteilt, sich nach einem „kompetenten, glaubwürdigen, dialogfähigen Oberbürgermeister“ umzuschauen und gleichzeitig die Negativkritik über unseren amtierenden OB zu verbreiten? Die selbsternannte Initiative macht vor dem Gemeinderat nicht halt und fordert auch hier „Dialogfähigkeit, Transparenz und Offenheit“ - Tugenden, von denen sie selbst weit entfernt ist. Laut Schwarzwälder Boten vom 26.5.2011 habe sie sich schon zum dritten Mal geheim getroffen. Zeit und Ort wurden nicht genannt, nicht einmal die Mitglieder dieser ominösen Initiative. Dennoch maßt sie sich an, auf Entscheidungsprozesse des Gemeinderates einwirken zu wollen („Andere politische Richtung gefordert“). In seiner letzten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates wurde dieses Verhalten denn auch als Ku Klux Klan-Methoden gebrandmarkt und quer durch die Fraktionen kritisiert. Die „Initiative OB für Calw“ wird hiermit aufgefordert, zu demokratischen Umgangsformen zum Wohle der Stadt Calw zurückzukehren.



Gezeichnet, die Fraktionsvorsitzenden

Weder bin ich ein besonderer Fan noch ein erklärter Gegner unseres scheidenden Oberbürgermeisters, aber jegliche Kritik im Vorfeld bereits als unqualifiziert ab zu tun, ist schon ein starkes Stück. Mit dieser Stellungnahme haben sich vor allem die Fraktionsvorsitzenden einen Bärendienst erwiesen, wohl weniger die paar Geschäfts- und Privatleute, die lediglich von ihrem Grundrecht nach Art. 5 Grundgesetz Gebrauch gemacht haben.

Wenn ich nun im Bekannten- und Freundeskreis diskutiere, die Politik der Stadt Calw in Bezug auf Kinderbetreuung für falsch halte, den Verfall des alten Rathauses oder des Parkhauses kritisiere, in dem seit Monaten der Fahrstuhl defekt ist und die Treppenaufgänge für Kinderwägen schadhaft sind - laufe ich dann auch Gefahr, zu einer "ominösen" Vereinigung gerechnet zu werden? Muss ich mir ebenfalls die Frage gefallen lassen, inwieweit ich denn dazu legitimiert sei, mir eigene Gedanken zu machen, ob ich hierzu ein Mandat erhalten habe?

Soweit könnte ich das alles noch als "im Eifer des Gefechts" abhaken, als Geplänkel im Vorfeld diverser Wahlkämpfe und Solidarität zu OB Dunst. Was aber eindeutig zu weit geht, was maßlos übers Ziel hinausgeschossen ist, ist ein Vergleich mit Methoden des Ku Klux Clan. Wir erinnern uns einmal kurz zurück, die Mitglieder des Ku Klux Clan tragen weiße Gewänder mit Spitzhüten, betrachten den weißen Menschen als Herr über alle anderen, fordern die Wiedereinführung der Sklaverei, begingen nachweislich viele Morde und Vergewaltigungen.

Meine Herren Fraktionsvorsitzenden: Auch wenn dieser Ausspruch nicht von Ihnen persönlich kam sondern von einem Gemeinderat, was an und für sich schon schlimm genug ist, so macht es die Wiederholung im Gemeindeblatt ohne sich von diesem unsäglichen Ausspruch zu distanzieren umso schlimmer. So nicht! Auch wenn ich Mitglied einer der Parteien, die Fraktionen im Gemeinderat bilden, bin - so verwundert mich bei diesem Stil die zunehmende Politikverdrossenheit der Bürger nicht. Engagiert man sich, macht man sich Gedanken, so ist das der Lohn. Man wird auf eine Stufe gestellt mit Mördern und Vergewaltigern.

Ich bin beileibe kein Freund von "Political Correctness", wie es neudeutsch so schön heißt. Ich gestehe jedem Menschen zu, "Frei Schnauze" zu argumentieren. Dennoch gibt es Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Und diese wurde hier nicht überschritten, sie wurde im Gallop überrannt.





Montag, 2. Mai 2011

Obama vs Osama

"Wir haben 10 Jahre erfolgreich Krieg geführt. Ich habe angeordnet, dass bin Ladens Tod oberste Priorität hat." sagt der Friedensnobelpreisträger Barack Obama.

Finde den Fehler.

Mittwoch, 27. April 2011

Grün-Roter Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg

Nun ist es also passiert, der Koalitionsvertrag steht. Ich persönlich war seit jeher der Ansicht, dass jede Demokratie genau die Führung bekommt, die sie verdient. Aber wollen wir uns en detail doch einmal damit beschäftigen, was wir uns in Baden-Württemberg denn tatsächlich verdient haben:

Eines der großen Wahlversprechen war ja, dass gespart wird. Wie hierzu nun 11 Ministerposten unter grün/rot anstatt 9 Minister unter schwarz/gelb passen, erschließt sich mir auf den ersten Blick nicht. Ehrlich gesagt auch nicht auf den zweiten. Dass nun erst ab 2020 ein ausgeglichener Haushalt angestrebt wird, also erst nach der nächsten Landtagswahl, ist mehr als bezeichnend.

Während der FDP gebetsmühlenartig immer wieder vorgeworfen wird, Klientelpolitik zu Gunsten des Hotelgewerbes betrieben zu haben - übrigens den Umstand völlig außer Acht lassend, dass sowohl CDU, SPD und Grüne die Verminderung des Mehrwertsteuersatzes im Bereich Hotellerie und Gastronomie ebenfalls im Wahlprogramm hatten und vermutlich die SPD die gleiche Parteispende erhalten hätte - haben die grün/roten nun tatsächlich auch ein interessantes Klientel für sich entdeckt: Die Vermieter! Auf den ersten Blick mag es zwar interessant klingen, dass Mietwohnungen 4:1 vor Eigentum subventioniert werden sollen, aber unterm Strich verhindert es, dass sich mehr Menschen eine eigene Wohnung zulegen können und der Verband der Vermieter freut sich darüber sicherlich diebisch.

Die Verkehrspolitik, hier haben sich bereits in der Vergangenheit schwarz/gelb nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert - aber dieses Ministerium in Händen der Grünen? Ich bin skeptisch. Laut Koalitionsvertrag sollen nur noch in begründeten Einzelfällen neue Straßen (Autobahnen, Landstraßen etc.) gebaut werden. Adieu, ihr schönen Ortsumgehungsstraßen... Den Nahverkehr in den Ballungsräumen will man ausbauen. Gut und schön, aber das bedeutet auch eine klare Kostensteigerung auf dem Land. Ausgerechnet die Grünen treiben noch mehr Landbevölkerung in die Städte - wer findet den Fehler?

Die Bildung. Zugegebenermaßen ist nicht alles gold was glänzt und es ist so einiges verbesserungswürdig, aber man sollte nicht vergessen, dass Baden-Württemberg im innerdeutschen Ranking unter schwarz/gelb grundsätzlich Spitzenplätze belegt hat. Künftig sollen Schulen in freier Trägerschaft - also Privatschulen - zu 80% gefördert werden. Ich befürchte, dass hier die nächsten Jahre ein unüberschaubarer Boom an neuen Privatschulen aus dem Boden gestampft wird. Allerdings finde ich das vor dem Hintergrund der weiteren Pläne von grün/rot schon beinahe wieder begrüßenswert, da ich nicht weiß, ob ich mein Kind mit - ich zitiere - "Bildungsziel Demokratie und nachhaltige Entwicklung" quasi einem staatlichen Umerziehungslager anvertrauen will. Dass der Religionsunterricht beibehalten und der Islamunterricht ausgebaut werden soll, widerspricht meiner persönlichen Auffassung von der Rolle der Schulen - Religion hat dort nichts verloren, weder christlich noch islamisch. Wie eine Gemeinschaftsschule in ländlichen Regionen bis zur 10. Klasse funktionieren soll, wo es in manchen kleinen Orten gerade einmal 5, 6 Klassenzimmer gibt, da bin ich sehr gespannt. Wenn es ein G2 geben soll, also das zweijährige Gymnasium im Anschluss an die 10 Jahre Gesamtschule, muss das Unterrichtsniveau diese 10 Jahre deutlich über dem Niveau bisheriger Haupt- und Realschulen liegen. Wie man hier lernschwächere Kinder mit einfangen soll, ist mir völlig unbegreiflich. Ich befürchte, dass die Kluft zwischen bildungsfernen und bildungsnahen Schichten sich hierdurch noch weiter vergrößert, denn es ist unmöglich, dass jedes Kind dem Stoff folgen kann und dementsprechend im direkten Vergleich mit den Klassenkameraden immer schlechte Leistungen erbringen wird. Wie sich das auf die Lernmotivation und das Sozialverhalten auswirkt, darüber kann sich jeder selbst seine Gedanken machen. Die Alternative hierzu wäre, die ersten 10 Jahre das Niveau deutlich herabzusenken. Ich halte es allerdings für nahezu ausgeschlossen, dass diese Defizite in zwei Jahren G2 aufgefangen werden sollen.

Ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt: Die Grünen hatten die Kommunalisierung des Rettungsdienstes im Wahlprogramm. Das ist ein direkter Angriff auf die Hilfsorganisationen, die aus einer verpflichtenden Tradition heraus höchsten Ansprüchen an Qualität, Erfahrung und Know-How gerecht werden. Eine tragende Säule ehrenamtlichen Engagements im Bevölkerungsschutz würde wegbrechen, nähme man den Mitgliedern der Hilfsorganisationen die Möglichkeit, sich am Rettungsdienst zu beteiligen. Die Kosten für den Rettungsdienst liegen in Bundesländern, in denen der Rettungsdienst durch die Kommunen betrieben werden, deutlich höher als in den Hilfsorganisationen.

Dass laut unserem künftigen Ministerpräsidenten weniger Autos gebaut werden sollen, spricht für die Wirtschaftskompetenz des Mannes. Zigtausende Arbeitsplätze in Baden-Württemberg sind direkt oder durch Zulieferer und Servicedienstleister indirekt mit der Automobilindustrie untrennbar verknüpft.

Kommen wir doch einmal zu den offensichtlichsten Lügen und gebrochenen Wahlversprechen: Die SPD versprach eine kostenlose Kinderbetreuung in Baden-Württemberg. In meinem Bekanntenkreis haben viele junge Eltern genau aus diesem Grund SPD gewählt. Nun, der kleine Nils hat es geschafft, weitere Wähler zu verprellen, denn zumindest im Moment ist dieses Wahlversprechen aus dem Koalitionsvertrag gestrichen. Ebenso verschwunden ist das Versprechen, das Wahlalter von 18 auf 16 zu senken. Hat man erkannt, dass die Jugend zu extremerem Wahlverhalten neigen würde? Ich persönlich begrüße zwar, dass man die Unsinnigkeit eines solchen Vorschlags erkannt hat, dennoch ist es ein gebrochenes Wahlversprechen. Die Diskussion zum Volksentscheid über S21 würde Bücher füllen, die Widersprüche Kretschmanns hierzu sind Legion - klammern wir das Thema also einfach aus...

So unterm Strich ist das meiner Ansicht nach ein grandioser Fehlstart. Andererseits ist es schön, nun in der Opposition zu sein, denn nun kann ich befreit aufatmen, meinem Unmut Luft machen und inbrünstig aus tiefstem Herzen brüllen: LÜGENPACK!

Donnerstag, 17. März 2011

Aus gegebenem Anlass

Der Hauptunterschied zwischen etwas, was möglicherweise kaputtgehen könnte und etwas, was unmöglich kaputtgehen kann, besteht darin, dass sich bei allem, was unmöglich kaputtgehen kann, falls es doch kaputtgeht, normalerweise herausstellt, dass es unmöglich zerlegt oder repariert werden kann.

Quelle: Douglas Adams (1952–2001) – „Einmal Rupert und zurück” („Mostly Harmless”), fünfter Teil der Reihe „Per Anhalter durch die Galaxis”, erschienen 1992.

Posted from Blogium for iPhone

Dienstag, 25. Januar 2011

"Das Märchen von Angebot und Nachfrage" oder "Wie halte ich die Nachfrage gering"


Das Prinzip, dass die Nachfrage das Angebot regelt, ist bekannt, seit unsere Ahnen Mammutsteaks gegen Äpfel getauscht haben. Gab es eine höhere Nachfrage nach Äpfeln, musste unser Vorfahr zwei statt nur ein Steak eintauschen. Sank die Nachfrage nach Äpfeln, konnte er die gleiche Menge gegen ein halbes Steak eintauschen, da die Apfelsammler sonst auf ihrem Produkt sitzen geblieben wären.

Sehr viel hat sich seither an diesem Prinzip Käufermarkt/Verkäufermarkt nicht geändert. Irgendwann aber erkannten Monopolisten, dass man das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage und somit den Preis zu seinen eigenen Gunsten beeinflussen kann. Der große Stammeshäuptling war nun auf einmal der einzige, der Äpfel anzubieten hatte. Er bestimmte den Preis, in dem er das Angebot künstlich verknappte, also immer gerade so viel produzierte, um die Nachfrage gerade so zu decken. So waren die Mammutjäger bereit, wesentlich mehr Steaks zu bezahlen, als sie es früher mussten, als die Apfelhändler noch in Konkurrenz zueinander standen.

Bis heute ist dieses Prinzip z. B. bei den erdölexportierenden Ländern zu sehen. Niemand, der alle Sinne zusammen hat, glaubt ernsthaft an einen fairen Wettbewerb zwischen den großen Mineralölkonzernen.

Interessant finde ich nun aber eine weitere Variante: Die Nachfrage durch hohe Preise niedrig halten! Nehmen wir nun einmal an, die Frau des Stammeshäuptlings wurde von Ihrem Gatten beauftragt, auf den Nachwuchs der Mammutjäger aufzupassen. Vielfältig sei der Wunsch an ihn herangetragen worden, damit die Mammutjägerfrauen Zeit haben, das Mammutleder zu gerben, während die Mammutjäger das Fleisch zerteilen. Leider hatte die Frau des Häuptlings da aber so überhaupt keine Lust darauf, also verlangte sie derart viel für die ganztägige Nachwuchsbetreuung, dass die Mammutjäger darauf verzichteten und das Leder eben nur in Teilzeit von den Frauen gegerbt werden konnte. So konnte die Frau des Häuptlings ihrem Gatten verdeutlichen, dass sie ja gerne dazu bereit gewesen wäre, aber aus unerfindlichen Gründen möchte niemand das Angebot annehmen. Also scheint der Bedarf ja gar nicht so groß gewesen zu sein...

Gibt es heute nicht mehr? Der das behauptet, hat noch keinen Blick in die Gebührenordnung seiner Stadt bzw. Gemeinde für die Kinderbetreuung getätigt. Im Wissen, dass es durchaus Bundesländer gibt, in denen die Kinderbetreuung zum Nulltarif angeboten wird, möchte ich das Augenmerk nun auf Baden-Württemberg richten. Im Hinterkopf bitte ich das Papier von der damaligen Familienministerin von der Leyen zu behalten, die den Kommunen auferlegte, ab 2013 flächendeckend für jedes Kind unter drei Jahren eine Ganztagesbetreuung anzubieten.

In meiner Heimatstadt – und wohl auch in den meisten anderen Städten und Gemeinden, stellt sich die Situation wie folgt dar: Nach der Höhe des Haushaltsbruttos sind die Gebühren für die Kinderbetreuung in Regelkindergärten und der Ganztagesbetreuung gestaffelt. Als Beispielrechnung nehmen wir hier nun an, dass das Haushaltseinkommen brutto bei ca. 80.000 € (Ehegatte 50.000 €, Ehefrau 30.000 €) im Jahr liegt – die höchste Staffelstufe „V“ beginnt bei 55.000 €, also durchaus im Bereich des Durchschnittseinkommens der Familien - das Haushaltsnetto liegt demzufolge bei etwa 3.700 € zzgl. Kindergeld.

Weiterhin nehmen wir an, dass die Ehefrau nach Auslaufen des Erziehungsgeldes sich mit dem Gedanken trägt, wieder Vollzeit arbeiten zu gehen. Die Familie würde also eine Ganztagesbetreuung benötigen. Fällig würden hierbei für ein einjähriges Kind 544,50 € im Monat. Blieben also vom monatlichen Haushaltsnetto noch 3.155,50 €.

Würde die Ehefrau lediglich zu 75% arbeiten, läge das Ehepaar weiterhin über der Stufe V in der Haushaltsbruttoberechnung der Elternbeiträge, beliefen sich die Kosten für den Kindergarten in der Halbtagsbetreuung auf gerade einmal noch 184,50 €, erstaunlicherweise bliebe vom neuen Haushaltsnetto (3.425 €) gesamt 3.240,50 € übrig. Also deutlich mehr als in Vollzeitbeschäftigung. Sehr schnell entscheidet der Familienrat, dass eine 100%-Beschäftigung völlig außer Frage steht.

Vor dem Hintergrund, dass die Halbtagesbetreuung der Kinder 6 Tages- bzw. 30 Wochenstunden, im Verhältnis zur 50-stündigen Ganztagesbetreuung also 60% ausmachen, der Preisunterschied aber knappe 300% (!!!) beträgt, sei die Frage nach der Begründung dieser Gebühren erlaubt.

Für unstrittig und richtig halte ich die entsprechende Anpassung an die Einkommenssituation der Familie. Die große Diskrepanz zwischen den Gebühren „Regelkindergarten“ und „Ganztagesbetreuung“ lässt aber hingegen vermuten, dass der Bedarf an Plätzen der Ganztagesbetreuung künstlich gering gehalten wird.

In der Tat hat es den Anschein, dass Frauen in niedrigen bis mittleren Einkommensschichten weiterhin der Zugang zur Vollzeitbeschäftigung verwehrt bleiben soll, dass die Frau seitens der Städte/Kommunen weiterhin in der traditionellen Rolle „Haus, Herd, Kind“ gesehen wird. Erst ab einem Jahresbrutto von 45.000 € bei der Ehefrau, also knappen 3.800 € monatlichem Bruttoverdienst fängt sich die Ganztagesbetreuung der Kinder vom finanziellen Standpunkt her an zu rechnen, stellt sich ein Mehrwert heraus.

Irgendwie erinnern mich die Städte und Kommunen an die Frau des Stammeshäuptlings: „Schau her, wir bieten Ganztagesbetreuung an, aber niemand will sie...