Mittwoch, 10. Februar 2010

Stellungskriege

Sprossenwand, Vierfüßlerstand, tiefe Hocke, Hirtenhocke, kniend über Pezziball, Romarad, Wanne, Mayahocker...

Was sich hier nach einem Kamasutra-Workshop anhört, entpuppt sich als der erste gemeinsame Termin bei einem Geburtsvorbereitungskurs am gestrigen Abend.

Bereits das Warten auf die Hebamme vor dem mit knallroten Schaumstoffmatten ausgelegten Zimmer könnte gut als soziologische Verhaltensstudie unter unterschiedlicher Betrachtungsweise von werdenden Müttern und Vätern herangezogen werden. Die Frauen, die sich untereinander ja schon seit einigen Kursterminen kennen, begrüßten sich schnatternd, die Männer mit leidenden Gesichtszügen hielten sich dezent im Hintergrund. Mit unsicherem Lächeln scheuen Blickkontakt zu Leidensgenossen suchend harrte man(n) in banger Erwartung der Dinge, die da nun kommen mögen.

Nach der obligatorischen, ausführlichen Begrüßungs- und Vorstellungsrunde, die interessanterweise ergab, dass bei weitem nicht alle Männer freiwillig an der bevorstehenden Enthüllung der weiblichen Physis und Psyche während der Geburt teilnehmen, dass wohl manch einer mehr oder weniger sanften Druck zur Motivation benötigte, wurden einem zunächst zur Lösung der Verspannungen eine kleine Massagetechnik gelehrt. So weit, so gut, diesen Teil erfüllten die Y-Chromosomenträger wohl zur Zufriedenheit der der Doppel-X-Trägerinnen.

Nun wurde von einer der anwesenden Hebammen in schillernden Farben unter Zuhilfenahme einer Wollmütze, einer Puppe und eines Modells eines menschlichen Beckens die verschiedenen Phasen der Geburt erläutert. Vielleicht wäre es von Vorteil für mich gewesen, nicht bereits bei der Vorstellung zu erwähnen, dass ich aus beruflicher Sicht schon der einen oder anderen Geburt beigewohnt habe, denn ich fühlte stets bei jeder etwas vereinfachten Darstellung die vernichtenden Blicke (Halt bloß die Klappe!) auf mir ruhen. Ich hatte meiner Frau versprochen, mich zurückzuhalten. Und eigentlich hatte ich das auch getan. Jedes mal, wenn mir ein Kommentar auf der Zunge lag, wurde ich angestubst, in die Rippen geboxt oder gekniffen.

Jedenfalls sah ich auf mancher Stirn meiner Mitstreiter einen feuchten Film von beginnendem Angstschweiß stehen, als die unappetitlichen Details an die Reihe kamen, die da im einzelnen wären: Fruchtwasserabgang, verschiedene Fehllagen, Dammriss bzw. -schnitt, Durchtrennung der Nabelschnur usw.

Wirklich zurückhalten musste mich meine bessere Hälfte, als das Thema auf aus Nabelschnurblut oder Mutterkuchen produzierten homöopathischen Globuli in fünf oder sechs Potenzen näher erläutert wurde. Denn, so die Theorie der Hebamme "Was vom Körper kommt, kann für den Körper nur gut sein!" - Ja, genau. Darum trinke ich auch literweise Menstruationsblut und esse meine festen Stoffwechselendprodukte. Täglich!

Für gehöriges Amusement meinerseits sorgte die anschließende Diskussions- und Fragerunde. Eine der anwesenden Frauen ist, nun ja, sagen wir mal: überängstlich und nur ein ganz klein bisschen naiv. Sie hat sich für einen Kaiserschnitt entschieden, was ihr die Missbilligung aller anderen anwesenden Frauen, Hebammen und der meisten Väter einbrachte. Es gibt keine gesundheitliche Indikation dafür, sie hat Angst vor der Geburt. Als ihr aber haarklein erklärt wurde, wie der Kaiserschnitt denn ablaufen wird, dass zwar nur ein relativ kleiner Schnitt gemacht würde, dieser aber sehr gedehnt werden muss, dass der Kopf durch die gedehnte Schnittöffnung gezogen wird und dann sehr kräftig in Höhe des Magens von oben mit der Faust Druck auf die Gebärmutter ausgeübt wird, um das Kind herauszupressen, hatte ich so den Eindruck, dass ihre Überzeugung zum Kaiserschnitt etwas geringer wurde. Ich kommentierte das leise meiner Frau gegenüber, dass in dem Moment der Kompression so ziemlich das gesamte Fruchtwasser herausschießt und es bei einem Kaiserschnitt zugehe wie im Schlachthaus. Vielleicht hat sie das gehört, denn sie fragte dann, ob sie davon denn etwas spüren würde. Die Hebamme merkte hier lapidar an: "Die anderen haben die Schmerzen bei der Geburt, aber dann ist es vorbei. Du hast die Schmerzen lange Zeit danach..." Ein süffisantes Grinsen konnte sie sich nicht unterdrücken. Bei jeder weiteren überängstlichen Frage wurde mein Drang zu folgender Aussage immer heftiger:

Seit Millionen und Abermillionen von Jahren bringen weibliche Säugetiere lebende Junge zur Welt. Stell Dich nicht so an! Allerdings hätte ich den Kursraum dann in Anwesenheit von 12 östrogen- und oxytocingesteuerten Wesen wohl nicht wieder lebend verlassen. Ich konnte dem Drang, nichtzuletzt durch einen weiteren Boxhieb in die Rippen, erfolgreich widerstehen!

Die anschließende Führung durch den Kreißsaal erinnerte dann wieder an den Besuch eines gut sortierten Sexshops. Ich überlege mir seither ernsthaft die Anschaffung eines Kreißbettes ;-)

Es war ein lustiger Abend und ich für meinen Teil freue mich auf die Fortsetzung nächste Woche.